Um sich dem Problem zu nähern, muss man sich als Erstes klarmachen, wo das »Unmoralische« seine Wurzel hat. Ist es das Fliegen als solches? Natürlich nicht. Die Bewegung von einem Ort zum anderen enthält zunächst nichts Böses. Auch sehe ich im Verlassen des Bodens nicht wie die griechische Mythologie beim Flug des Ikaros eine Anmaßung gegenüber den Göttern. Der moralische Vorwurf, den man dem Fliegen gegenüber erheben kann, die Anmaßung gegen-über Natur und Mitmenschen, liegt vielmehr darin, die Umwelt über Gebühr zu belasten, vor allem mehr zur Erderwärmung beizutragen als notwendig.Wenn sich aber das »Böse« eher in Kilogramm Gasausstoß denn in Grad der Seelen-verfinsterung ausdrücken lässt, wenn es nicht in irgendeiner Handlung, sondern vor allem in einer unnötigen globalen CO2-Vermehrung liegt, dann wird durch die finanzielle Unterstützung einer Verminderung an anderer Stelle des Globus nicht eine moralische Schuld abgetragen; es wird auch nicht wie beim Ablass die Sündenstrafe für ein Fehlverhalten reduziert, es werden ganz einfach und pragmatisch betrachtet negative Folgen des Tuns vermindert oder ausgeglichen – nach Ansicht von Experten auf der Grundlage von wissenschaftlich ausreichend abgesicherten Berechnungen.Bedenken wegen eines Ausgleichs der CO2-Bilanz in der Dritten Welt hätte ich, wenn das Sparen dort Einschränkungen zur Folge hätte. Dies trifft aber nicht zu, wenn die zertifizierten und überwachten Projekte umgekehrt eher zu einer nachhaltigen Entwicklung, also positiven Effekten vor Ort führen. Vor allem aber gefällt mir bei den Klimaausgleichszahlungen ein Aspekt. Sie zeigen zumindest ansatzweise die wahren Kosten des Fliegens auf: Neben den Schnäppchenkalkulationen der Billigflieger auch die Schäden an der Umwelt. Deshalb stellt die Zahlung auch keine gute Tat dar, sondern dreht lediglich das Evilmeter wieder ein wenig zurück. Aber immerhin, das tut sie.
Die Gewissensfrage
»Dienste wie www.atmosfair.de bieten an, die negative CO2-Bilanz eines Fluges durch Hilfsprojekte in Dritte-Welt-Ländern auszugleichen. Dabei werden zum Beispiel Solarküchen in Indien errichtet. Ist diese moderne Form des Ablasshandels aber nicht unmoralisch? Sollen ausgerechnet die Armen dieser Welt den entwickelten Ländern ein schlechtes Gewissen ersparen?« SEBASTIAN R., HAMBURG