Was hat das Baby davon, wenn Sie es nicht machen? Statt auf den Haufen des vorhandenen Spielzeugs noch ein neu gekauftes obenauf zu legen, wird der Gutschein quasi eingetauscht und es bleibt in der Familie. Der Säugling wird das vermutlich nie erfahren; zudem erküren Kinder ohnehin oft die eigenartigsten und schäbigsten Geschenke zum Lieblingsspielzeug.
Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl. Warum? Joanne K. Rowling, eine Meisterin auf der Klaviatur unbewusster Wünsche, Aversionen und kindlicher Empfindungen, schildert gleich auf den ersten Seiten des ersten Harry Potter-Bandes, wie dieser die abgelegte Kleidung seines Cousins Dudley tragen muss. Damit illustriert sie plastisch und nachfühlbar die Geringschätzung und Demütigungen, die er im Hause seiner Verwandten erfährt. Es geht um Fragen wie Wert der Person und Individualität, die gerade auch zwischen Geschwistern eine große Rolle spielen. Dazu muss man nicht in die Diskussion einsteigen, was ein Säugling nun tatsächlich registriert, ob er es spürt, wenn die Eltern ihm etwas Besonderes, nur für ihn Erworbenes geben. Ich bin der Meinung, dass man es ihm unabhängig davon schuldet.
Auch in einer Ethik, wie ich sie vertrete, die sich am Verhältnis zwischen den Menschen orientiert, kann es nicht nur darum gehen, was die Beteiligten tatsächlich bemerken. Sonst wäre eine dreiste Lüge moralisch unbedenklich, wenn sie nur geschickt genug vorgebracht wird.
Es geht um den Respekt, den man dem anderen zollt. Damit meine ich nicht, dass Kinder zu kleinen Prinzen herangezogen werden sollen, für die das Beste und Neueste gerade gut genug ist. Das ist etwas anderes als Respekt, der sich mehr in einer Haltung als in Verwöhnen ausdrückt. Und diese Haltung ist hier betroffen. Sie machen vermutlich nichts falsch im engeren, strengen Sinne, wenn Sie die Spielzeugrochade durchführen, aber ich halte sie - vielleicht drückt man es so am besten aus - für moralisch unsensibel.
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Literatur:
Joan K. Rowling, Harry Potter and the Philosopher's Stone, Bloomsbury, London 2000, S. 27
Zu einer psychologischen Typologie der Geschwisterfolge: Karl König, Brüder und Schwestern - Geburtenfolge als Schicksal, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, 1995
und Marc Herold (Illustration)