Innereien haben einen miesen Ruf. Je nördlicher in Deutschland, desto mieser ist er. Sie stinken, haben einen fiesen Geschmack, auf den Punkt gebracht: Sie sind BÄH.
Es gibt Innereien, die dem Vorurteil durchaus entsprechen. Wer schon mal die Leber eines Wildschweins, die Nieren von Hasen oder eine Schweinelunge in rohem Zustand auf dem Teller hatte, wird nicht vor Entzücken gejauchzt haben. Allerdings sind Innereien in vielen Ländern ein Grundnahrungsmittel für die Durchschnittsbevölkerung, weil Filet, Rücken und Keulenfleisch so teuer sind, dass nur wenige sich diese Stücke leisten können. In Asien gelten vor allem Genitalien als Delikatesse, nicht wegen ihres Geschmacks, sondern wegen der erhofften Übertragung von Manneskraft. Während Kutteln, also die Magenwände, zum Beispiel von deutschen Kühen mehrheitlich zu Tierfutter verarbeitet werden, sind sie in Italien fester Bestandteil von Suppen. Die Franzosen sind sowieso Allesfresser, und in der herrlichen Salade landaise werden neben der Leber auch das Herz und der Magen von Enten verarbeitet.
Damit kommen wir zu den positiven Erlebnissen. Unvergessen ist die dunkle Schnitte, lauwarm, mit geschmortem Apfel und Zwiebeln, etwas gehacktem Majoran und Gänseleber belegt, die mir mein Küchenchef im Restaurant »Remise« in Berlin gab. Himmlische Dichte, aromatische Kombination von Süße und Säure, intensive Würze und nicht enden wollende Länge. Was diesem Gericht die Struktur gab, war gestocktes Schweineblut.
Aber auch das Meer hat einiges zu bieten: In Tokio aß ich Abalone, gedämpft und in einer Sauce aus ihrer Leber und Limettensaft angerichtet. Anders, aber wow. Die teuerste Delikatesse aus dem Inneren heißt Fish Maw und ist die Schwimmblase, besonders beliebt von Barschen aus Seen im Hochland von Pakistan. Getrocknet kostet der Spaß bis zu 3500 Euro pro Kilo, geschmacklich erinnert es an Kalbskopfmaske. Aus chinesischer Sicht hilft die Schwimmblase, das Leben in Balance zu halten. Ihr kommt damit die gleiche Funktion zu, die das Organ auch bei den Barschen ausübt.
Rezepte
1. Gang
Kalbsbries mit Kürbisrisotto
1 Stück Kalbsbries (das Fleisch hat kaum gallertartige Zwischenwände)
2 Blätter frischer Lorbeer
1 EL weiße Pfefferkörner
Salz
2 EL Butter
4 EL Olivenöl
80 g rote Zwiebel, fein gewürfelt
20 g Ingwer, geschält und fein gewürfelt
200 g Risottoreis
200 ml Orangensaft
250 ml Geflügelfond
3 el Crème fraîche
4 el fein geriebener Parmesan
100 g süß-sauer eingelegter Kürbis, grob gehackt
1 TL rote Chili, fein gehackt
2 EL frischer Koriander, fein geschnitten
Kalbsbries mit Lorbeer, Pfefferkörnern und Salz in 2 l Wasser in einem Topf zum Kochen bringen, 1 Stunde köcheln lassen. Den Topf dann vom Herd ziehen und auskühlen lassen.
Das Kalbbries in Stücke schneiden und in etwas zerlassener Butter anschwitzen. Olivenöl in einer Stielkasserolle erhitzen, Zwiebeln und Ingwerwürfel darin anschwitzen, Reis zugeben und mit 2 TL Salz würzen; mit dem Orangensaft ablöschen und einkochen. Darauf Geflügelfond geben, aufkochen. Deckel auf die Stielkasserolle geben und auf kleinster Flamme gehen lassen. Wenn der Reis auf den Punkt gegart ist, das Kalbsbries unterheben und Crème fraîche, Parmesan, Kürbis, rote Chili und Koriander unterrühren.
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2. Gang
Sülze vom Lachskopf mit Rhabarbergelee, Radieschen und Grapefruit
4 Lachsköpfe
Salz
200 ml Rhabarbersaft
40 ml Limettensaft
Kaltsaftbinder
Filets von 1 Grapefruit, in feine Scheiben geschnitten
20 Radieschenscheiben
20 Estragonblätter
gemahlene Chili
Die Lachsköpfe bei 85 Grad 20 Minuten lang dämpfen. Bäckchen auslösen und Fleisch hinter den Kiemen ablösen. Fleisch warm stellen, salzen. Rhabarber- und Limettensaft mischen und mit Kaltsaftbinder zu einer sirupartigen Konsistenz binden. Das Lachsfleisch auf 4 Tellern verteilen, mit dem Rhabarbergelee nappieren, mit Grapefruitscheibchen, Radieschenscheiben, Estragonblättern und etwas gemahlener Chili bestreuen.
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3. Gang
Lammzunge mit grünem Salat und rohem Fenchel, Birne, Limettendressing und geröstetem Anisbrot
8 Lammzungen
2 El Pökelsalz
4 EL Limettensaft
4 EL Birnensaft
2 EL grüner Tabasco
6 EL Pflanzenöl
2 el süßer Senf
1 Fenchel, fein gehobelt
1 Birne, geschält, entkernt, in Würfel geschnitten
4 EL Schüttelbrot in feinen Krumen
Lammzungen mit Pökelsalz marinieren, für 24 Stunden kalt stellen. In 4 l Wasser weich kochen. Im Anschluss die Haut von den Zungen pulen. Zungen in dünne Scheiben schneiden und auf 4 Tellern auslegen. Limettensaft, Birnensaft, Tabasco, Pflanzenöl und süßen Senf mischen, auf die lauwarme Lammzunge geben. Fenchel, Birne und Schüttelbrot auf die 4 Teller verteilen.
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4. Gang
Entenherzen mit weißen Trauben, Staudensellerie, schwarzem Pfeffer und altem Balsamico
500 g Entenherzen
Pflanzenöl
Salz
400 g Staudensellerie, geschält und in Stücke geschnitten
300 g weiße kernlose Trauben, halbiert
2 el schwarzer Pfeffer, grob gestoße
8 cl 10 Jahre alter Balsamico
Die Herzen parieren und halbieren. In einer großen Pfanne Pflanzenöl stark erhitzen, kräftig gesalzene Herzen scharf anbraten. Entenherzen aus der Pfanne nehmen, etwas Pflanzenöl in die Pfanne geben und Staudensellerie darin anziehen, mit 8 cl Wasser ablöschen. Herzen, Trauben, Pfeffer und Balsamico zugeben, alles in der Pfanne erhitzen, umrühren und in Schüsseln servieren. Meine erste Innerei, die ich bewusst gegessen habe, war das dunkle Fleisch, das sich in Brusthöhe des halben gegrillten Hähnchens befand. Es schmeckte völlig anders als das zarte weiße Fleisch oder die fettige Haut des Gockels. Als man mir sagte, dass es die Lunge war, mochte ich sie erst mal nicht mehr.
Illustrationen: Rutu Modan