H – Hostien

Seit Mitte des 13. Jahrhunderts feiern Katholiken das »Fest des Leibes Christi«, Fronleichnam. Nächsten Donnerstag ist es wieder so weit: In Gestalt einer geweihten Hostie wird Christus bei unzähligen Fronleichnamsprozessionen durch Stadt, Wald und Flur getragen. Diese Hostien erinnern sowohl an das letzte Abendmahl als auch an den Auszug der Israeliten aus Ägypten – in der Eile blieb keine Zeit, einen Sauerteig anzusetzen, Hefewürfel gab es noch nicht. Deshalb bestehen auch Hostien nur aus Mehl und Wasser. Heute backen Mönche oder Nonnen in einigen Klöstern das »Brot des Lebens« für den kirchlichen Bedarf: Ein dünner Teig wird in Hostienbackmaschinen unter großem Druck in wenigen Sekunden zu dünnen Platten gebacken. Diese spröden Hostienplatten werden befeuchtet, übereinander gelegt und mit einem Hohlbohrer ausgebohrt, ähnlich wie bei einer geologischen Bohrung. Der »Bohrkern«, die Hostien, fallen aus dem Bohrer in einen Korb – fertig.

Während Hostien symbolisch für die Erlösung des Menschen durch das Opfer Jesu stehen, geht es bei den Weissagungen im Glückskeks meist um weltliches Glück – auch wenn sich Hostien- und Glückskeksbackmaschinen sehr ähneln. Die ersten chinesischen Glückskekse gab es in China erst 1990 – erfunden wurden sie in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Kalifornien. Laut einer Legende um ihre Entstehung erfand ein japanischer Landschaftsarchitekt die mit Sprüchen gefüllte Kekse als Propagandawaffe in einem Zwist mit der Stadtverwaltung von Los Angeles. Glückskekse werden zwar von Hand gefaltet, aber maschinell gebacken und dann lang gelagert. Die kulinarische Qualität dieser Kekse entspricht in etwa der Qualität des Essens in vielen deutschen China-Restaurants. Die Sprüche scheinen oft ohne jede Überlegung getextet, sind aber gerade dadurch reizvoll.

Ich liebe chinesisches Essen – werde aber erst dann wieder chinesisch essen gehen, wenn hier ein Restaurant eröffnet, in dem der Koch die Glückskekse selbst bäckt (und den Glutamatsack wegwirft). Dann helfe ich sogar gern als Orakel aus.

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GLÜCKSKEKSE
Ein Rezept für besondere Gelegenheiten: 100 g Mehl mit 2 EL Stärke, 75 g Puderzucker, 1 Prise Salz, 100 g zerlassener Butter, 2 Eiweiß und 3 EL Pflaumenwein glatt rühren, 2 Stunden zugedeckt ruhen lassen. 24 Weissagungen auf Papierstreifen schreiben. Dünne weiße Baumwollhandschuhe anziehen. Aus jeweils 1 TL Teig helle Glückskekse in einem Eishörnchen-Backautomaten backen, in dem der Teig leicht gepresst und wunderbar knusprig wird – den hat leider nicht jeder, darum hier Plan B: 100 g Mehl, 100 g Puderzucker, 100 g Butter und 3 Eiweiß mischen und glatt rühren. Eine 9 cm große, kreisförmige Schablone aus 1,5 mm dicker Pappe ausschneiden, leicht buttern. Backblech fetten, mit Mehl bestäuben. Schablone auflegen, 1–2 TL Teig darin mit einer Palette gleichmäßig verteilen, je zwei weitere Kreise aufstreichen, im Ofen bei 200° 5 Minuten backen, bis die Ränder goldbraun sind – arbeiten Sie mit mehreren Blechen, damit diese zwischendurch abkühlen können. Jetzt zählt jede Sekunde: Jeweils einen Keks mit einer Weissagung zusammen- falten, an den Enden fassen und auf dem Rand eines Glases einbuchten, in einer Tasse abkühlen. Wiederholen, bis der Teig aufgebraucht ist.