SZ-Magazin: Maria, du bist 18 und damit die Älteste in der Runde. Kannst du dich noch an deinen ersten Kuss erinnern?
Maria: Meinen ersten richtigen Kuss bekam ich mit elf, in der
5. Klasse beim Flaschendrehen, also einen Zungenkuss und keinen Abschmatzer.
Hast du gewonnen?
Maria: Verloren! Der Junge hat mir eigentlich gar nicht gefallen, mit dem kam ich weder in der Schule noch in der Freizeit klar. Ein paar Wochen später hatte ich meinen ersten festen Freund, mit dem war Küssen angenehmer.
Nicki: Mein erster Zungenkuss war mitten auf der Skipiste. Wie ist das passiert, bist du in jemanden reingefahren?
Nicki: Nein, ich war mit einer Jugendfreizeit unterwegs, und der Junge taugte mir vom ersten Abend an. Einen festen Freund hatte ich auch schon. Aber ich finde, in meinem Alter sind feste Freunde nicht sinnvoll, weil man sich doch wieder trennt. Ich bekomme nach drei Monaten immer Panik und mache Schluss.
Wir wollen heute über Liebe, aber auch über Sex sprechen. Nicki und Manel, ihr seid beide 14 und wartet noch auf euer erstes Mal. Habt ihr schon ein Drehbuch im Kopf, wie es ablaufen soll?
Nicki: Nein, da denke ich nicht drüber nach. Wenn man sich eine perfekte Nacht ausmalt, wird man nur enttäuscht.
Manel: Das sehe ich genauso. Natürlich will ich es das erste Mal nicht besoffen auf einer Parkbank machen, aber ein Candle-Light-Dinner muss auch nicht sein.
Maria und Shanti, war euer erstes Mal denn so, wie ihr es euch erhofft hattet?
Maria: Ich war 13 und bereue es. Er war nicht mein Freund, nur ein guter Bekannter, und das Ganze hat drei Minuten gedauert, dann hatte er keine Puste mehr. Alle meine Freunde hatten damals schon ihr erstes Mal hinter sich, ich wollte nicht mehr warten – das war Gruppenzwang.
Shanti: Ich war auch 13 und habe immerhin eine Viertelstunde geschafft. Das Mädchen war älter als ich und hatte schon Erfahrung. Sie ist oben auf mir rumgewackelt, und ich hab sie machen lassen. Als wir fertig waren, dachte ich: Ja, jetzt bin ich ein Mann. Im Nachhinein hätte ich aber lieber mit meiner ersten richtigen Freundin Sex gehabt.
Du bist zurzeit in festen Händen.
Shanti: Ja, seit elf Monaten. Wir haben uns im Chat kennengelernt. Sie ist zwei Jahre älter als ich, war aber noch Jungfrau.
Wie hast du sie überzeugt, mit dir Sex zu haben?
Shanti: Sie war gar nicht so abgeneigt, aber Verführung muss schon sein: Ich habe Kerzen angezündet, Sexual Healing aufgelegt. Wir haben es dann gleich drei Mal gemacht. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, mit einem Mädchen zusammenzusein und keinen Sex mit ihr zu haben.
Habt ihr verhütet?
Shanti: Sie nimmt die Pille, Kondom haben wir keins benutzt.
Nicki: Die Pille bringt nichts, wenn der Partner Aids hat.
Maria: Ich sehe auch nicht ein, dass immer nur wir Frauen auf die Verhütung achten sollen.
Wer von euch hat im Moment ein Kondom in der Tasche?
Manel und Nicki melden sich.
Shanti: Da fragt man sich schon, warum ausgerechnet die beiden Kleinen, Braven hier in der Runde Kondome dabeihaben. Wenn man mit einer Partnerin länger zusammen ist, kann man auch ohne Kondom Sex haben.
Maria, Nicki, wenn ihr schwanger wärt, was würdet ihr tun?
Nicki: Vor Abschluss meiner Ausbildung vermutlich abtreiben.
Maria: Ich finde, das ist Mord, selbst wenn man als Mutter erst zwölf Jahre alt ist. Ich würde das Kind lieber bei einer Babyklappe abgeben und hoffen, dass eine gute Familie es aufnimmt.
Nicki: Ich will aber auch generell keine Kinder haben.
Shanti: Eine meiner Ex-Freundinnen glaubte einmal, dass sie schwanger sei. Da habe ich fast geheult. Meine Mutter war 17, als sie mich bekommen hat, sie wurde von ihrer Familie verstoßen, konnte keinen Schulabschluss machen – wir hatten nichts. Ich als Vater möchte das meinem Kind nicht zumuten.
Maria: Eine meiner besten Freundinnen wurde mit 23 auf einer Party schwanger. Eigentlich war die lesbisch, aber sie hatte wohl ziemlich viel Alkohol, Speed und Ecstasy genommen und dann mit einem Kerl gevögelt.
Manel: Weiß sie noch, wer es war?
Maria: Sie vermutet es, er streitet es aber ab. Erst wollte sie das Kind abtreiben, nahm auch weiterhin Drogen, doch Gott sei Dank hat sie sich für das Kind entschieden. Jetzt spürt sie einen Sinn im Leben. Sie hat eine Drogentherapie gemacht und eine Ausbildung angefangen.
Maria, du hast eben ganz nebenbei gesagt, deine Freundin sei eigentlich lesbisch. In der aktuellen Bravo-Sexstudie mussten wir lesen, dass ein Drittel der Jugendlichen Homosexuelle "befremdlich" findet. Wie geht ihr mit Schwulen und Lesben um?
Manel: Ich habe kein Problem damit, Köln ist für seine Homo-Szene ja bekannt.
Shanti: Auf meiner Schule in Neukölln waren fast nur Muslime – schwul sein geht da nicht. Aber ich habe sonst kein Problem damit. Neulich war ich auf dem Christopher Street Day – da guckst du Weibern hinterher und denkst: Ist das jetzt vielleicht doch ein Typ?
Maria: Ich bin seit zwei Monaten mit einem Mädchen zusammen. Das heißt nicht, dass ich Kerlen gegenüber abgeneigt bin, aber mich reizt es gerade nicht, was zwischen den Beinen zu haben.
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Leider ist es oft so, dass ein Mädchen sehr gut aussieht, aber hohl ist. Da muss man aufpassen. Sie darf aber auch nicht zu schlau sein, sonst quatscht sie zu viel.")
Was gefällt dir an Frauen?
Maria: Sie sind liebevoller, verstehen mich besser. Und wenn du mit einem Mann zusammen bist, will der immer den Beschützer spielen. In meiner Beziehung bin ich die Beschützerin, weil ich zwei Jahre älter bin; die Rolle gefällt mir.
Manel, Shanti, was müssen Mädchen haben, um für euch attraktiv zu sein?
Manel: Mich nervt es total, wenn Mädchen dumm und beschränkt sind. Man sollte sich vernünftig unterhalten können. Und solange sie kein Schwergewicht ist …die Körbchengröße ist mir egal.
Shanti: Leider ist es oft so, dass ein Mädchen sehr gut aussieht, aber hohl ist. Da muss man aufpassen. Sie darf aber auch nicht zu schlau sein, sonst quatscht sie zu viel. In einer Beziehung brauche ich vor allem Abwechslung: mal den ganzen Tag im Bett rumgammeln, dann schick essen gehen auf dem Ku’damm.
Was muss ein Junge haben?
Nicki: Niveau. Charisma. Ein bisschen arrogant darf er sein. Und er muss Ziele im Leben haben.
Das klingt alles sehr diplomatisch. Wo guckt ihr bei Mädchen oder Jungs denn als Erstes hin?
Maria: Augen.
Nicki: Schuhe.
Manel: Gesamteindruck.
Shanti: Arsch.
Nicki, stimmt das wirklich –Schuhe?
Nicki: Ja, weil Schuhe viel über den Charakter verraten. (Sie guckt auf Manels ausgelatschte Sneakers.) Du interessierst dich nicht für Schuhe.
Manel: Doch!
Nicki: Das sind halt deine Alltagsschuhe. Aber ich finde, Männer mit Chucks gehen zum Beispiel gar nicht.
Maria: Männer mit Chucks sind geil.
Was sind denn deine Traumschuhe, Nicki?
Nicki: Segelschuhe aus Leder, obwohl die schon einen ziemlichen Bonzentouch haben. Aber wenn sie zum Style passen …
Der Style ist dir sehr wichtig?
Nicki: Ich nehme mir schon Zeit dafür: Duschen und Schminken dauern morgens etwa 45 Minuten, dann muss ich mir noch ein Outfit überlegen. Aber das liegt auch an meiner Schule, da sind alle gestylt.
Fühlst du dich davon unter Druck gesetzt?
Nicki: Ein bisschen. Meine ersten High Heels hatte ich in der dritten Klasse. Aber mich kotzen Leute an, die mit einer Prada-Tasche rumlaufen und noch nichts geleistet haben. Ich verdiene Geld, gebe Nachhilfestunden, ich weiß, was arbeiten bedeutet.
Shanti: Mir ist ein Unterschied zwischen den Schulen aufgefallen: Früher war ich auch auf einem Gymnasium, da haben sich in der Klasse eher kleinere Gruppen gebildet, die sich gegenseitig runtergemacht haben. Hier in Neukölln auf der Realschule halten alle zusammen, da ist es egal, wie du aussiehst.
Wer von euch kann sich One-Night-Stands vorstellen?
Manel: Bei meinem ersten Mal auf keinen Fall. Danach schon, warum nicht?
Maria: Ich hatte ja sozusagen einen One-Night-Stand. Mein erstes Mal mit 13 war bisher auch mein einziges Mal.
Shanti, du wurdest in deiner Klasse der "Jungfrauenknacker" genannt.
Shanti: Ja, aber die nannten mich nur so, weil sie selbst noch keinen Sex hatten. Das sind alles Muslime, die dürfen nicht.
Mit wie vielen Mädchen hast du schon geschlafen?
Shanti: 20. Vielleicht 25.
Was mögen Frauen beim Sex?
Shanti: Das ist ganz unterschiedlich. Die einen Zärtlichkeit und Romantik, andere mögen es härter. Früher hatte ich viele One-Night-Stands, aber wenn man die Frau, mit der man Sex hat, kaum kennt, kann man nicht richtig auf sie eingehen. Bei einer festen Freundin hat man dagegen den Vorteil, dass man sich immer verbessern kann.
Nicki: Würdest du denn Mädchen, die One-Night-Stands haben, als Schlampen bezeichnen?
Shanti: Kommt immer drauf an. Man kann nicht sagen: Du hast einen One-Night-Stand gehabt, du bist jetzt dein Leben lang eine Schlampe.
Manel: Als Mädchen kriegt man keine Anerkennung, wenn man viele Kerle im Bett hatte – einfach weil Typen jede nehmen. Als Junge ist das was anderes: Fünfzig Frauen rumzukriegen ist schon eine Herausforderung.
Gibt es irgendwelche Dinge, die ihr beim Sex unbedingt mal ausprobieren wollt?
Shanti: Handschellen. Aber das habe ich schon gemacht.
Manel: Es ist gut, Erfahrungen zu sammeln. Aber es gibt nichts Konkretes, das ich gern mal probieren würde.
Okay, anders gefragt: Was würdet ihr nicht machen?
Manel: Anpinkeln. Auch bei Peitschen würde ich Nein sagen.
Nicki: Cyber-Sex finde ich nicht gerade antörnend.
Shanti: Noch mal zur Frage davor: Einen Dreier wollte ich schon immer mal probieren. Mit einem guten Kumpel.
Zwei Männer und eine Frau?
Shanti: Ich glaube, das ist eine Sache, die Jungs zusammenschweißt. Natürlich würde ich den Mann nicht küssen, aber gute Freunde teilen halt.
Woher hast du die Idee?
Shanti: Keine Ahnung, aus Filmen vielleicht.
(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wenn eine Generation vor uns schon die Möglichkeiten gehabt hätte, die das Internet heute bietet, hätten die auch Pornos geschaut.)
Wisst ihr noch, wann ihr euren ersten Porno geguckt habt?
Maria zu Manel: Hast du überhaupt schon mal einen geguckt?
Manel: Ja klar. Aber ich weiß nicht mehr, wann der erste war.
Shanti: Das fing mit den nackten Frauen nachts auf DSF an. Als dann das Internet bei mir im Freundeskreis populär wurde, haben wir »Nackte Frauen« bei Google eingegeben. Wir fanden das total spannend und haben die Bilder auf CD gebrannt.
Welche Internet-Pornoseiten kennt ihr?
Maria: Youporn, Porninthecity, all so was. Brauchst ja nur »Porno« bei Google einzugeben.
Nicki: Die meisten Pornoseiten sind eh nur was für Männer, die Frauen müssen in den Filmen immer die Unterwürfige spielen, das interessiert mich nicht. Aber wenn Jungs das gefällt, sollen sie es halt gucken. Das gehört wohl zum männlichen Trieb.
Manel und Shanti: Genau.
Sexszenen in Pornos dauern oft eine halbe Stunde. Fühlt ihr euch von dieser Leistungsschau unter Druck gesetzt?
Shanti: Wenn man so einen durchtrainierten Kerl sieht mit einer Riesenlatte, denkt man schon manchmal: Scheiße!
Machst du dir Sorgen über deine Penislänge?
Shanti: Ich habe nachgemessen und liege deutlich über dem Durchschnitt.
Manel: Der Durchschnitt sollen 14 Zentimeter sein. Ich finde das ziemlich wenig.
Onaniert ihr auch ohne Pornos?
Manel: Selten.
Shanti: Im Urlaub.
Maria, hast du schon mal Jungs erlebt, die etwas nachspielen wollten, was sie im Porno gesehen haben?
Maria: Eine Freundin von mir hatte mal einen Kerl, der die 69er-Stellung ausprobieren wollte. Der hat sich so dämlich angestellt, dass der Puller umgeknickt ist und eine Sehne riss.
Gehört Analsex für euch zum normalen Sexleben dazu?
Manel: Nein.
Nicki: Davon wird man doch inkontinent.
Shanti: Ich habe schon einiges ausprobiert, auch Analsex. Ohne Gleitgel tut das weh. Es ist keine Erfahrung, die man unbedingt machen muss.
Sex wird in vielen Pornos aggressiv dargestellt, mit einem Machtgefälle zwischen Mann und Frau. Glaubt ihr, dass solche Bilder das Empfinden für die eigene Sexualität stören können?
Manel: Ich finde es Quatsch zu sagen: Wenn jemand viele Pornos guckt, wird er gleich zum Vergewaltiger.
Nicki: Das ist wie bei Gewalt-Computerspielen: Wenn jemand austickt, waren die Spiele nur das i-Tüpfelchen, nicht der Grund für den Amoklauf. Natürlich können Pornos einen Menschen prägen, vor allem wenn man jung ist. Die Bilder gehen in den Kopf rein und bleiben hängen wie Vokabeln.
Kontrollieren eure Eltern eure Computer?
Nicki: An meinem haben die nichts zu suchen. Ich checke ja auch nicht deren Computer.
Du bist ja auch nicht deren Erziehungsberechtigte.
Nicki: Aber man muss doch selber erwachsen werden. Wenn man immer bemuttert wird, lernt man nicht, für sich selber Entscheidungen zu treffen, für sich selber zu bestimmen.
In Deutschland nennt man Menschen um die dreißig heute "Generation Praktikum" – sie stolperten von einem kurzen Arbeitsverhältnis ins nächste. Nach einem Artikel im Stern werdet ihr nun als "Generation Porno" bezeichnet. Wie fühlt ihr euch mit dem Begriff?
Nicki: Ich kann damit nichts anfangen. Es gibt ja auch Erwachsene, die Pornos gucken.
Manel: Wenn eine Generation vor uns schon die Möglichkeiten gehabt hätte, die das Internet heute bietet, hätten die auch Pornos geschaut.
Maria, in Hellersdorf gehst du oft ins Jugendzentrum "Arche". Dessen Leiter hat 2008 ein Buch veröffentlicht, das eine "sexuelle Verwahrlosung" unter Jugendlichen beschreibt: Mädchen, die stolz darauf sind, mit 51 Männern geschlafen zu haben.
Maria: Ich kenne einige Jugendliche aus dem Buch, und ich glaube, dass sie im Sex die Liebe suchen, die sie von den Eltern nicht bekommen haben. Sex dient als Bestätigung für sie.
Nicki: Eine Bestätigung, begehrt zu werden. Bei denen geht es gar nicht ums Vögeln – die wollen jemanden haben, der da ist und etwas mit ihnen macht.
Glaubt ihr an die große Liebe?
Manel: Ich hoffe auf die große Liebe, aber ich glaube nicht, dass man sie mit 14 finden kann.
Shanti: Die große Liebe bedeutet aber nicht, dass man ein Leben lang zusammenbleibt. Meine Mutter war zehn Jahre mit meinem Stiefdaddy zusammen. Sie liebt ihn über alles, aber es ging nicht mehr. Trotzdem sagen beide, es war die große Liebe.
Gibt es Dinge, die ihr anders regeln wollt als eure Eltern?
Nicki: Nicht immer gleich rummotzen und auf Konfrontationskurs gehen. Sonst nichts.
Manel: Ich würde gern mit der Frau, mit der ich Kinder habe, zusammenbleiben. Aber wenn man sich nicht mehr liebt, kann man wohl nichts machen. Wenn Eltern nur wegen der Kinder zusammenbleiben und sich dauernd streiten, hilft das keinem. Da ist es mir lieber, dass sich meine Eltern getrennt haben.
Maria: Ich möchte Probleme in der Beziehung sofort ansprechen. Meine Eltern haben immer alles in sich hineingefressen, mein Vater hat dann irgendwann ein Alkoholproblem gekriegt.
Shanti: Wenn ich Kinder habe, will ich versuchen, immer für sie da zu sein. Ich habe zu meinem Stiefvater ein besseres Verhältnis als zu meinem leiblichen Vater, ich sage sogar »Papa« zu ihm. Mir persönlich würde es das Herz brechen, wenn mein Kind zu einem anderen »Papa« sagt.
Shanti, wenn du 35 bist, wie soll dein Leben dann aussehen?
Shanti: Ein kleines Häuschen mit Garten, Hund und Katze, Frau, drei Kinder: zwei große Söhne und eine Tochter.
Das klingt ja fast spießig.
Shanti: Warum auch nicht?