Eiiiiiisgekühlter Bommerlunder

Als unser Autor jung war, kannte jeder diesen Song der Toten Hosen – aber was zum Teufel ist das eigentlich für ein Getränk? Und hat das jemals jemand getrunken?

Foto: Maurizio Di Iorio

Von Lana Del Rey gibt es den Song Cola, der beginnt so: »My Pussy tastes like Pepsi Cola«. Man könnte jetzt natürlich interessant darüber streiten, ob das eine saudoofe oder eine geniale Textzeile ist, ein peinlicher PR-Gag oder raffinierte Lyrik inklusive Alliteration, aber das geht leider nicht, denn erstens habe ich an dieser Stelle schon mal über Cola geschrieben, und zweitens besteht die Gefahr, dass es unappetitlich wird und am Ende wieder mein E-Mail-Postfach überquillt. Und deswegen geht es heute um ein anderes Lied – und um Kümmelbranntwein aus Haselünne im Emsland.

Im Jahr 1983 war ich acht Jahre alt. Ich hatte keine Ahnung von irgendwas und bekam deshalb auch nicht mit, wie eine junge Punkband mit dem komischen Namen Die Toten Hosen eine Single mit dem noch komischeren Namen Eisgekühlter Bommerlunder rausbrachte und sich schon damals, also ein Jahr nach ihrer Gründung, auf den Weg in die Mitte der Gesellschaft machte, freilich eher aus Versehen. »Wir dachten, der Text von Eisgekühlter Bommerlunder ist so stulle, er unterbietet jedes Niveau«, hat Campino später erzählt. Die Band hatte nicht auf dem Schirm, dass die Deutschen Dinge, die stulle sind, über alles lieben, was man leicht prüfen kann, wenn man an einem Dienstagnachmittag durchs Fernsehprogramm zappt.

Obwohl Punks damals noch erkennungsdienstlich erfasst wurden und Verfassungsschutzmitarbeiter in Proberäume stürmten, um Songtexte zu konfiszieren, ja obwohl die Single anfangs nicht mal offiziell verkauft werden durfte, weil ihr ein Schnapsfläschchen beilag, gab es bald niemanden mehr, der das Lied nicht kannte oder sogar mitgesungen hatte. Eisgekühlter Bommerlunder – die Melodie stammt aus einem Samba-Schlager des Jahres 1937 – entwickelte sich zu einer Hymne für Menschen, die einen Abend lang Spaß haben und nicht an morgen denken wollen: Der schwarze Block grölte es in besetzten Häusern, Kreisligaspieler im Vereinsheim, Soldaten nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr. Es gibt das Lied auf Polnisch, als Indie-Coverversion, sogar als Klingelton, gegrölt vom besoffenen Elch. Auch ich habe es mitgesungen, an Lagerfeuern und am Baggersee, wo man halt so rumsitzt, wenn man 15 ist und die nächste größere Stadt fünfzig Kilometer entfernt, sofern man davon ausgeht, dass Regensburg eine größere Stadt ist.

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Und es ist ein bisschen lustig, aber ich habe jahrelang nicht kapiert, worum es in dem Lied eigentlich geht, also dass es sich bei Bommerlunder um einen Kümmelschnaps handelt. Irgendwas mit Alkohol, das war mir klar, aber was genau, darüber habe ich nie nachgedacht. Bommerlunder, für mich war das ein Fantasiewort, das sich hübsch anhörte, ein bisschen wie die Insel Lummerland aus Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Ich habe einfach nur gegrölt, noch ein Bier aufgemacht und weitergegrölt. Und für den Fall, dass es anderen auch so geht, habe ich mich schlau gemacht: Bommerlunder ist ein Kümmelbranntwein, die Marke wurde 1895 angemeldet, das Rezept stammt aus dem Wirtshaus »Bommerlund kro« (deutsch: Bommerlund Krug), heute Dänemark, damals Deutsches Reich. Im Jahr 1760 soll sich ein verwundeter französischer Reitersoldat in das Wirtshaus gerettet haben und vom Schankwirt und dessen Tochter gesundgepflegt worden sein. Als Dank soll er ihnen ein Schnapsrezept verraten haben, sehr französisch, 26 Kräuter, viel Kümmel und Anis. Ich habe das Zeug bis heute nicht probiert, ja eigentlich noch nie irgendwo rumstehen sehen. Wie schmeckt eisgekühlter Bommerlunder? Campino, kannst du helfen? Oder hast du auch nur gesungen und nie getrunken?