Ein Blitzbesuch sorgt für Krach

Da spendiert man der anreisenden Freundin in der eigenen Stadt extra ein Hotel, und dann reist sie schon am nächsten Morgen ab, weil es zu laut war. Darf man wenigstens das Geld für die zweite Nacht zurückfordern?

Illustration: Serge Bloch

»Eine Freundin (vom Land) hat mit ihrer Familie meine Familie und mich (in der Stadt) besucht. Da wir kein Gästezimmer haben, habe ich ihnen ein Hotel für die zwei Nächte spendiert. Vier Sterne. Nach der ersten Nacht reisten sie ab, ihr Zimmer, das leider zur Straße war, sei zu laut gewesen. Sie boten an, die zweite Nacht zu zahlen, aber sie haben weniger Geld, das wollte ich nicht annehmen. Es war ja auch eine Einladung. Im Nachhinein beschleicht mich das Gefühl, dass der Besuch nicht uns galt, sondern es einfach auf ihrem Rückweg aus dem Urlaub lag und sie immer schon mal in das neue Theater hier wollten, wo sie auch waren. Ich bin enttäuscht, und mich ärgert das rausgeschmissene Geld. Soll ich es zurückverlangen?« Anonym, Berlin

Normalerweise hätte ich Ihnen vermutlich geantwortet, dass das wirklich nicht nett war von Ihren Freunden. Es hätte sich vielleicht ein ruhigeres Zimmer finden lassen. Oder ein anderes Hotel. Oder sonst irgendwas, das freundschaft­licher gewesen wäre, als einfach nur: Sorry, war uns zu laut, sind wieder weg. Ich hätte dafür plädiert, dass Sie Ihrer Freundin sagen, dass Sie enttäuscht waren, wäre aber dagegen gewesen, das Geld für die zweite Nacht zurückzufordern. Wie war der Satz von Michelle Obama: »When they go low, we go high.« Den hätte ich womöglich ­zitiert. Denn genau wie Sie sagen, es war ja eine Einladung.

Aber irgendwie ist mir nicht danach. Vielleicht liegt es am drohenden Weltuntergang oder daran, dass man ab einem gewissen Alter hin und wieder die Geduld für die Unsensibilität anderer Leute verliert. Jedenfalls komme ich hier überraschend immer wieder zum selben Schluss: Ja, fordern Sie das Geld für die zweite Nacht zurück. Seien Sie ehrlich. Sagen Sie Ihrer Freundin, dass Sie sie einladen wollten, damit man sich sieht. Dass Sie sich auf den Besuch gefreut hatten und enttäuscht sind, wie das Ganze gelaufen ist. Und dass Sie gemerkt haben, dass Sie doch gerne auf ihr Angebot, die zweite Nacht zu übernehmen, zurückkommen wollten. Fühle sich für Sie richtiger an. Ich glaube, so sind Sie den Groll über die Sache schneller los. Geld ist ja bekanntermaßen nicht einfach nur Geld, sondern emotional mit allem Möglichen aufgeladen, und so manche Wut wäre bestimmt schneller verflogen, bekäme man von der Person, die der Grund dafür ist, einen bestimmten, von einem selbst zu benennenden Betrag. Die Enttäuschung über den Besuch werden Sie noch etwas mit sich herumtragen. Aber wenigstens sind Sie dann das Gefühl los, für Ihre Enttäuschung auch noch drauf­gezahlt zu haben.