Eine Lüge, die nur Gutes will

Seine Freunde können sich die teuren Konzertkarten nicht immer leisten, also bezahlt unser Leser und behauptet, er habe die Karten über den Geschäftspartner umsonst bekommen. Ist das ethisch vertretbar?

Illustration: Serge Bloch

»Meine Freunde und ich gehen leidenschaftlich gerne zu Konzerten. Allerdings sind die Karten teuer, einige meiner Freunde mussten daher in der Vergangenheit passen. Mir geht es finanziell sehr gut, und ich habe ihnen angeboten, sie einzuladen. Einer hat dies gerne angenommen, ein anderer wollte dies nicht. Beim letzten Mal löste ich es so: Ich kaufte die Karten und sagte meinen Freunden, ich hätte sie über Geschäftspartner umsonst bekommen. Wir hatten einen wunderbaren Abend. Kann ich es auch in Zukunft so lösen?« Tom A., München

Manchmal finde ich die Rolle, in die ich hier geraten bin, wirklich herrlich. Wenn es nämlich so eindeutig ist wie in Ihrem Fall. Sie fühlen sich unwohl, weil Sie Ihre Freunde anlügen. Aber das macht doch wirklich gar nichts, lieber Herr A., denn es ist eine wunderschöne Lüge, die nur Gutes will und auch nur Gutes schafft. Es sollte ein anderes, freundlicheres Wort dafür geben. Gibt es auch: Großzügigkeit. Die sich bei Ihnen mit sehr viel Taktgefühl paart. Ein Gentleman ist jemand, der erfindet, man habe ihm Konzertkarten geschenkt, um andere nicht zu beschämen und ihnen gleichzeitig einen schönen Abend zu bereiten. Könnte die bisher gängige Definition eines Gentlemans – »ist jemand, der Akkordeon spielen kann, es aber nicht tut« – fast ersetzen.

Hier für die nahe Zukunft noch ein winziger Verbesserungsvorschlag. Sie müssen ihn überhaupt nicht beherzigen, aber wenn Sie mehr erreichen wollen für weniger Schwindeln, könnten Ihre Geschäftsfreunde, spendabel wie sie sind, Ihnen eventuell gleich viele Karten für die ge­samte Konzertsaison auf einmal geschenkt haben. Denkbar wäre sogar ein Abonnement. Man kennt ja diese Geschäftsfreunde, die nie genug ausgeben können, um für gute berufliche Stimmung zu sorgen. Wenn man so will, könnte man auch dieses Verhalten im Grunde als List begreifen, denn einem solchen Geschenk ist unsichtbar ein Auftrag mit eingeschrieben. Man muss es nicht gleich Bestechung nennen und versteht doch die Absicht, die mit solchen Zuwendungen verfolgt wird. Insofern beinhaltet die Erklärung, zu der Sie gegriffen haben, ja ebenfalls eine, wenn Sie so wollen, Intrige. Und mit dieser haben beide Ihrer Freunde offenbar gut leben können. Nehmen Sie das, falls Sie es brauchen, als Indiz dafür, dass Ihre Methode die richtige ist.