Stirb, elendes Bleichgesicht!

Sollten Kinder heute noch Cowboy und Indianer spielen? Oder ist das angesichts der Unterdrückung und Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner moralisch bedenklich?

Illustration: Serge Bloch

»Ich leite ehrenamtlich eine Jugendfreizeit im Rahmen meiner Pfarrei. Wir wollten in den Sommerferien für eine Woche mit Neun- bis Fünfzehnjährigen campen. Das müssen wir verschieben, aber das Problem dürfte sich wieder stellen: Zuletzt haben sich die Helfer und Betreuer das Thema Cowboys und Indianer gewünscht. Ich finde das moralisch bedenklich. Kann ich das Thema ablehnen?« Christina W., München

Mit neun bis fünfzehn ist man zwar noch nicht ausgewachsen, aber auch nicht blöd. Wie wäre es, wenn Sie mit den Jugendlichen über Ihr Unbehagen reden? Sie können ihnen ja erklären, dass der Mensch ein Wesen ist, das sich weiterentwickeln kann. Nicht ­jeder Mensch, aber glücklicherweise doch so viele, dass nach und nach ein verän­dertes kollektives Bewusstsein für Recht und Unrecht entsteht.

Was das Spiel Cowboy und Indianer angeht, dauert es noch ein bisschen, bis es dann auch jeder versteht. Es gibt immer noch Leute, die es lustig finden, etwas als Spiel zu verharmlosen, das über eine von beiden Gruppen bekanntermaßen großes Leid gebracht hat. Meistens liegt das da­ran, dass es diese Menschen an ihre eigene Jugend erinnert, in der sie dieses Spiel voller Inbrunst und ohne jeden bösen Hintergedanken spielten, weshalb sie die neue Sicht darauf in so eine reflexhafte Jetzt-wollen-sie-uns-auch-das-noch-nehmen-Haltung bringt. Kann man verstehen. Es dauert halt alles seine Zeit. Warum man das Brettspiel Juden raus! nicht mehr spielt, das 1938 in Deutschland auf den Markt kam, wissen diese Menschen ja auch.

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Damit ist allerdings noch nicht das Problem gelöst, was Sie statt Cowboy und Indianer auf dieser Freizeit spielen, sobald sie stattfinden kann. Ist Ihnen Räuber und Gendarm zu altmodisch? Dann könnten Sie alle zusammen neue, modernere Kategorien für Spiele mit zwei gegnerischen Gruppen erfinden. Deutschrapper gegen Deutschrapperinnen, Fridays for Future gegen Klimawandelleugner, Leute, deren Eltern auf Facebook sind, gegen Leute, deren Eltern nicht auf Facebook sind, Schwarzfahrer gegen Kontrolleure, Ultras gegen Bundesligafunktionäre, Alkoho­liker gegen Raucher, Glutenunverträglichkeit gegen Weißbrot, Achtsamkeit gegen Handysucht, München gegen Wohnungsmarkt – Neun- bis Fünfzehnjährigen fällt bestimmt was ein.