»Meine ältere Schwester hat ihr erstes Kind bekommen. Ich möchte ihr etwas schenken. Allerdings habe ich das bei meinen anderen Geschwistern verpasst. Soll ich jetzt damit anfangen? Ich habe sechs Geschwister, fünf Nichten, drei Neffen. Allein allen etwas zum Geburtstag zu schenken, würde mich als Studierender ein Vermögen kosten. Bisher schenke ich nach Lust und Laune. Doch gerecht ist das nicht.« Jordan K., Bielefeld
Verstehe das Problem. Finde aber, sobald man anfängt, bei Geschenken zu rechnen, verlieren sie ihren Sinn. Es wäre ja doch schön, ein Geschenk kommt von Herzen und macht einen selbst glücklich bei der Vorstellung, wie es – hoffentlich – den Beschenkten freuen wird. Liegt Geschenken aber der Gedanke zugrunde, dass es etwas im Wert von zirka 16,99 Euro sein sollte, weil man irgendjemand anderem auch etwas in diesem Preissegment geschenkt hat, hört es eigentlich auf, ein Geschenk zu sein, und wird eine Art Handel. Das hat dann nichts Großzügiges, Feierliches mehr, sondern etwas sehr Kleinkrämerisches, Spießiges. Und es macht ja nichts weniger Freude als Geschenke, denen man anmerkt, dass sie einfach irgendwas sind. Dinge aus einem Museumsshop, die kein Mensch braucht und sich deshalb auch niemand selber kauft. Dinge in Geschenkgröße. Dinge, auf denen steht, für welche Gelegenheit man sie verschenken sollte (etwa eine Schokoladenspezialität als Dankeschön). In Wahrheit sollte man anderen für sich selbst etwas schenken, so hat schlimmstenfalls wenigstens eine Partei etwas davon. Denn womöglich geht es vielen Beschenkten wie Holden Caulfield, dem großen Helden in Salingers Fänger im Roggen: »Fast jedes Mal, wenn mir jemand etwas schenkt, endet es damit, dass ich traurig werde.«
Vielleicht muss man sich von dem Gedanken verabschieden, dass es so etwas wie Gerechtigkeit beim Schenken überhaupt gibt. Ehrlich gesagt ist es doch sehr schön, wie Sie es bisher handhaben. Nach Lust und Laune zu schenken. Eben dann, wenn man eine Idee für jemanden hat. Es muss sich außerdem auch nicht von allem, was man innerhalb einer Familie tut, direkt eine Regel ableiten. Ihrer Schwester zur Geburt ihres Kindes etwas zu schenken, begründet nicht automatisch eine neue Tradition.