»Ich war im Supermarkt, um Champagner zu kaufen. Er war im Angebot, ich kaufte mehrere Flaschen. An der Kasse vor mir standen zwei Frauen mit einem Jungen. Sie sahen ärmlich aus und sprachen Russisch oder Ukrainisch. Sie hatten auf dem Band nur wenige Lebensmittel, darunter Würstchen. Als der Kassierer den Preis nannte, legten sie die Würstchen zurück. Ich habe sie dann spontan für sie bezahlt. Jetzt habe ich kein gutes Gefühl. Es kommt mir vor, als hätte ich, die Champagner kauft, den Frauen ein Almosen gegeben.« Bärbel S., Dachau
Mein Rat: Don’t overthink it. Es gibt überhaupt keinen Grund, sich zu grämen. Genießen Sie Ihren Champagner und freuen Sie sich, dass Sie so ein netter Mensch sind. Ob die Personen Russisch oder Ukrainisch sprachen, spielt dabei keine Rolle, genau so nett wäre es gewesen, wenn sie Deutsch gesprochen hätten oder noch mal was ganz anderes.
Aber ob man eigentlich hören kann, ob jemand Russisch oder Ukrainisch spricht, haben sich in den vergangenen Monaten bestimmt schon viele gefragt. Zur Klärung habe ich die Schriftstellerin Katja Petrowskaja hinzugezogen. 1970 in Kiew geboren, lebt sie seit 1999 in Deutschland. Sie gewann 2013 den Ingeborg-Bachmann-Preis, veröffentlicht bei Suhrkamp. Ihr komme der Wunsch nach dieser Unterscheidung fragwürdig vor, sagt sie eingangs, da ihm vermutlich eine andere Frage zugrunde liege, nämlich: Mit wem soll ich Mitgefühl haben? Und Sprache sage da nicht viel aus, allein deshalb schon, weil die Muttersprache vieler Ukrainer Russisch ist.
An dieser Stelle sei noch mal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Russisch und Ukrainisch zwei verschiedene slawische Sprachen sind, etwa so unterschiedlich wie Deutsch und Niederländisch. Es gebe etwa hörbare phonetische Unterschiede, sagt Katja Petrowskaja. So würden im Ukrainischen alle Vokale deutlich ausgesprochen. Es sei eine Sprache, die man gut singen könne, ähnlich wie Italienisch, während das Russische unbetonte Vokale beinahe verschlucke. Außerdem gibt es im Ukrainischen einen wohl sehr spezifischen gutturalen Laut »g«. Sie macht ihn am Telefon vor, es klingt wie ein tief aus dem Hals gestoßenes stimmhaftes H. Schließlich könne man darauf achten, ob man mehr »da« oder »tak« höre, also Russisch beziehungsweise Ukrainisch für »Ja«. So weit die Tipps von Katja Petrowskaja, einer Befürworterin des Konzepts, dass Sprache als solche unschuldig ist.