Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, adlig zu sein. Eine Alltagsflucht, wenn das proletarische Leben auf den Rücken drückt. Wäre ich aller Probleme frei? Burg Schlitz in der Mecklenburgischen Schweiz, also im Nichts und zugleich im Alles, in prachtvoller Natur nämlich, ist das ideale Ziel, um Feudalfantasien auszuleben. Hier logierten Königin Silvia von Schweden und Angela Merkel. Letztere nicht blaublütig, aber als Kanzlerin von höherem Stande. Man verfällt sogleich in eine andere Sprachlage.
Ich verstecke den verharzten Kleinwagen hinter Jaguaren, in mir ein Fuhrpark aus Scham. Doch als der Obelisk am Schlossportal verlangt: »Gast, der Du aufsteigst, übergib dieser freundlichen Urne deine Sorgen«, beginnt meine Häutung. Aufsteigen möchte ich, wenigstens für ein Wochenende. Mit der Kutsche geht es durch die Lande, die Hans von Schlitz, Gutsherr nur, aber vom König zum Grafen erhoben, 1806 als Park anlegen ließ. Vorbei an weidenden Friesen, an friedlichen Weiden, an hundert Skulpturen. Will ich sogar den Jäger in mir testen? Doch die Saison, in der Gäste schießen dürfen, ist ohnehin passé. Das Reh im Wappen-Saal mundet dennoch. Ich drücke den Rücken durch, prüfe mein Hemd auf Faltenfreiheit und googele, wie das Besteck sauereifrei zu benutzen ist. Das ist etwas stressig, aber der einzige Stress dieser Tage. Einmal adlig sein, ja, fürwahr angenehm. Auch wenn es natürlich immer noch bloß eine Vorstellung von Adel ist. Widerwillig reise ich ab. Arbeit verpflichtet.
Schlosshotel Burg Schlitz
Burg Schlitz 2, 17166 Hohen Demzin
Tel. 03996/1 27 00, DZ ab 198 Euro.
burg-schlitz.de