Südafrika ist ein verwundetes Land, auch im wörtlichen Sinne. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Boden wegen der darunterliegenden Rohstoffe umgegraben, aufgebohrt, zerschnitten, ausgehöhlt. Mit den Diamanten und dem Gold und dem Rausch fing es an, jahrzehntelang war Südafrika der größte Goldlieferant der Welt, inzwischen ist er nur noch der siebtgrößte. Heute kommt dafür das meiste Platin von dort, dazu 44 Prozent des global geförderten Chroms, verschiedene Industriemetalle, das Land verfügt über das größte Steinkohlevorkommen Afrikas – es ist wie so oft: unendlich reich und arm zugleich.
Und so lässt sich die Geschichte Südafrikas – die koloniale Ausbeutung, die Unterdrückung der Mehrheit durch eine kleine Minderheit, der Rassismus, der Aufstieg zu einem der wohlhabendsten Staaten des Kontinents, die nachhaltige politische Korruption – nicht erzählen und erklären ohne die Geschichte des südafrikanischen Bergbaus. Diese Geschichte ist längst nicht auserzählt und ihr Fortgang ungewiss: Das Geschäft mit den Minen läuft mies, der prächtigen Vorräte zum Trotz.
Allein 6000 Minen liegen brach: zu alt, eine Modernisierung zu teuer. Ihre Rückstände verseuchen die Erde und das Wasser. Die Staublungen der Arbeiter, die dort geschuftet haben, Generation um Generation, ohne Rechte und ohne Schutz, sind nicht zu heilen. Weil die Kinder der Goldschürfer von einst ohne das Goldschürfen keine Zukunft haben, schürfen sie weiter in den stillgelegten Tunneln, auf eigene Faust oder von Bandenchefs getrieben. »Zama Zamas« werden diese illegalen Goldgräber genannt – »Versuch es weiter«, bedeutet das auf Zulu. Auch in den noch offiziell betriebenen Goldminen gibt es immer wieder Pannen und Unglücke. Die Politik ist machtbesessen und machtlos wie eh und je. Die Bergarbeiter-Gewerkschaften sind unnachgiebig wie nie. Das jüngste Kapitel der Geschichte des südafrikanischen Bergbaus handelt davon, wie der größte Schatz zu immer größerem Chaos führt.
Der südafrikanische Fotograf Dillon Marsh hat ein wahrhaftiges Interesse an dem Land, aus dem er stammt. Für die hier gezeigte Serie For What It’s Worth – frei übersetzt »Was immer es wert ist« – hat Marsh ehemalige und aktuelle Bergbaugebiete fotografiert. Und dann am Computer Kugeln hineinmontiert, die maßstabsgetreu der Menge der bisher dort geförderten Rohstoffe entsprechen. Marsh sagt, es habe ihn zunächst ganz naiv interessiert, wie viel da aus dem Boden kommt. Er sagt auch, dass er in dieser sein Land so prägenden Sache keine Position beziehen wolle. Aber harmlos ist Marshs Arbeit nicht. Indem er in seine Bilder eingreift, verdeutlich er, wie sehr der Mensch in die Natur eingreift. Und indem er die Menschen, für die jene Orte und Stoffe alles bedeuten, nicht zeigt (und etwa dort, wo zuletzt streikende Bergarbeiter niedergemetzelt wurden, nur einen riesigen, glänzenden Platin-Ball hinsetzt), löst Marsh beim Betrachter automatisch die quälende Frage aus: Worum geht es hier eigentlich?
Das Wichtigste auf Dillon Marshs Bildern sind nicht die merkwürdigen Kugeln, die man sieht. Sondern das, was man nicht sieht. Sein Werk zeigt, dass die Landschaft nie ohne die Geschichte des Landes und seiner Menschen zu betrachten ist. Weil da Wunden sind und bleiben.