Ein Teil von mir

Wir haben sieben Prominente gefragt: Was ist Ihr liebstes Kleidungsstück? Also haben sie es für uns angezogen. Und sonst nichts.


Sophie Rois

Es war im Sommer, ich war in Paris und probierte in einer Boutique diesen mitternachtsblauen Mantel von Stella McCartney an. Er saß perfekt, und wenn mir etwas gefällt, kaufe ich es sofort. Egal ob es in die Jahreszeit passt. Ich trage den Mantel, wenn ich ausgehe. Er hat etwas Militärisches, gleichzeitig ist er elegant. Gelegentlich ziehe ich ihn auch als Kleid an. Mit nichts darunter, nur mit Strümpfen. Allerdings kann man ihn dann im Restaurant nicht ausziehen. Die Begleitung wartet aber vielleicht genau darauf. So wird der Abend bestimmt nicht langweilig. Ich mag Kleidung, die mir Haltung verleiht oder mich schützt. Das kann auch nur ein Detail sein: In dem Film Drei hatte ich zum Beispiel eine Sexszene und bestand darauf, die Socken anzulassen. Die sind zwar später nicht im Bild zu sehen, aber für mich waren sie wichtig. So kam ich mir nicht ganz nackt vor. Viele Frauen verkleiden sich bis ins hohe Alter als Teenager. Das verstehe ich nicht. Ich habe mich immer darauf gefreut, endlich keine Jeans mehr tragen zu müssen, endlich erwachsen zu werden. Und das auch äußerlich zu unterstreichen - mit allem, was dazugehört: Handschuhe, Ohrringe, feine Strümpfe. Solche Accessoires definieren, wer du bist oder sein willst. Ich fühle mich in dem Mantel wie Miss Marple. Die ich übrigens für eine äußerst gut angezogene alte Dame halte.

Sophie Rois, 50, ist Schauspielerin und seit 1993 im Ensemble der Berliner Volksbühne. Sie bekam zweimal den Deutschen Filmpreis.

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Lars Eidinger

Lars Eidinger

Markenzeichen mag ich eigentlich nicht. Ich will ja nicht enden wie Udo Lindenberg, der nur mit Hut erkannt wird. Trotzdem: Diese Mütze habe ich so oft auf, dass meine Frau schon schimpft, wenn ich sie zu Hause trage. Sie ist aus Kaschmir und hat 100 Euro gekostet. Ökonomisch betrachtet, rechnet sich Qualität. Ich habe zum Beispiel eine Lammfelljacke von Jil Sander, die sehr viel gekostet hat. Dafür kann man die aber auch locker drei Jahre behalten. Länger habe ich auf die meisten Sachen sowieso keine Lust. Ich mag Luxus. Das Blöde ist ja, wenn man einmal angefangen hat, Kaschmir zu tragen, kann man unmöglich noch etwas anziehen mit 30 Prozent Polyester drin. Marken sind mir nicht unwichtig. Ich kaufe gern teure Stücke, man darf es ihnen nur nicht ansehen. Wie eben diese Mütze, eigentlich null modisch, aber sie ist von Kostas Murkudis. Peinlich finde ich Männer, denen man sofort anmerkt, dass sie sich für Mode interessieren. Kürzlich war ich in Antwerpen in einer Ausstellung des Designers Walter Van Beirendonck. Konzeptionell ist seine Mode sicher interessant, aber ich möchte sie nicht in meinem Schrank hängen haben. Bevor Kleidung zu angestrengt aussieht, sollte man lieber beim Klassischen bleiben.

Lars Eidinger, 36, spielt seit 1999 an der Berliner Schaubühne und war zuletzt auf der Berlinale in dem Film »Was bleibt« zu sehen.

Aino Laberenz

Aino Laberenz

Wenn ich mich vor einer Situation fürchte, ziehe ich diese Strickjacke an. Sie gehörte Christoph Schlingensief, meinem Mann, der 2010 starb. Es ist dann so, als hätte ich eine extra Schicht Christoph dabei. Wir haben sie zusammen in Wien entdeckt. Sie hat etwas feines Englisches, aber auch etwas Altherrenmäßiges. Ihm war schnurzpiepegal, dass sie von Vivienne Westwood ist. Er war kein modischer Mensch, und wenn er sich mal etwas Teures geleistet hat, wurde es auch nicht besser behandelt. Wenn ich an ihn denke, dann zuerst an seine strahlenden Augen. Unter dem einen hatte er eine kleine Sommersprosse und eine kleine Falte, die ich besonders mochte. Kennengelernt haben wir uns in Zürich, damals wusste ich nicht, wer er ist. Dafür weiß ich noch genau, was er anhatte: klobige Militärstiefel, die jetzt völlig ausgetreten bei mir im Schrank stehen, und einen Seemannspulli mit orangefarbenem Rand. Ich habe die Kostüme für Christophs Stücke entworfen und seine Produktionen fotografisch begleitet. An den Fotos hat er gesehen, ob seine Arbeiten gut waren oder nicht. Wir waren wie Seismografen füreinander. Das fehlt mir sehr.

Aino Laberenz, 30, ist Kostüm- und Bühnenbildnerin. Sie führt Schlingensiefs Projekt »Operndorf Afrika« weiter. Am 8. März findet dazu eine Kunstauktion im Hamburger Bahnhof in Berlin statt.

Oda Jaune

Oda Jaune

Gemalt habe ich dieses Bild vor mehr als zehn Jahren, noch vor der Geburt meiner Tochter. Seither begleitet es mich. Für mich ist das Wissen, dass es bei mir zu Hause hängt, so als würde ich es immer bei mir tragen. Länger als ein Jahr habe ich daran gemalt. Ich mache vorab keine Zeichnung, die Bilder entwickeln sich, ich male eine Ölschicht über die andere. Immer wieder hoffe ich, dass dieses eine Detail das Zentrum des Bildes wird, und dann muss es doch wieder verschwinden. Wenn ich male, sehe ich aus wie eine Obdachlose. Meist trage ich eine schwarze, bekleckerte Hose, ausgetretene Turnschuhe und mehrere Kleidungsschichten übereinander. Ich hülle mich ein, weil ich mich vor der Leinwand nicht bewege und nicht frieren will, aber auch weil ich so noch mehr bei mir bin. Mein Apartment liegt in Paris im 7. Arrondissement, in meinem Zimmer steht eine Kleiderstange, auf der viele Vintagekleider hängen. Sie sind wie Skulpturen aus Stoff. Mit manchen verbinde ich einen bestimmten Abend, andere habe ich noch nie getragen, weil sie zu extravagant sind, aber ihre Geschichte fasziniert mich.

Oda Jaune, 32, ist Malerin. Sie studierte als Meisterschülerin bei Jörg Immendorff und wurde später seine Frau. Sie lebt in Paris. Ab 17. März stellt sie im Maison de la Culture im belgischen Namur aus.

Vera von Lehndorff

Vera von Lehndorff

Die Manschettenknöpfe gehörten meinem Vater Heinrich von Lehndorff. Er wurde nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 als Mitverschwörer in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Meine Mutter hat sie mir geschenkt, als ich 18 Jahre alt war. Sie sind die einzigen Gegenstände, die ich noch von ihm habe. Stücke mit einer solchen Geschichte können nie einfach nur Accessoire sein, doch manchmal trage ich sie zu schönen, weißen Herrenhemden. Der aktuellen Mode gehe ich nicht nach. Ich besitze zwar ein Chanel-Kostüm, das Karl Lagerfeld mir geschenkt hat, doch Designermode hat mich nie interessiert. Ich will nicht lange nachdenken über meine Kleidung. Über dem Stuhl in meinem Schlafzimmer hängen drei bequeme Hosen, die ich in einem Ausstattungsladen für Tänzer gekauft habe. Ich mag es, wenn Perfektion gebrochen wird, wenn die Erscheinung nobel wirkt und gleichzeitig ein wenig verlebt und nomadisch. Wenn man Abgetragenes mit etwas Glitzerndem mischt. Doch die Würde sollte immer gewahrt werden. Selbst in den Zeiten, in denen es mir nicht gut ging, habe ich immer darauf geachtet, nicht auch noch zerlumpt auszusehen. Das hätte mich beschämt.

Vera von Lehndorff, 72, war das erste deutsche Supermodel. Im letzten Jahr erschien ihre Biografie »Veruschka - mein Leben«.

Pegah Ferydoni

Pegah Ferydoni

Ich bin ein Hosentyp, besitze kaum Röcke. Schon meine Mutter hat mich immer wie einen Jungen angezogen. Hosen sind für mich das, was für andere Frauen das kleine Schwarze ist. Ein Kleidungsstück, das die Persönlichkeit zum Strahlen bringt. Diese Hose erinnert mich an mein Vorbild Charlie Chaplin und auch ein bisschen an Huckleberry Finn. In ihr lassen sich Abenteuer erleben. Man könnte darin, so stelle ich es mir vor, auf ein Floß springen und sich am Abend den Staub von den Hosenbeinen klopfen. Dazu ziehe ich meistens ein weißes Herrenhemd und Halbschuhe mit kleinem Absatz an, die ich meiner Mutter stibitzt habe. Ein Detail, das mir besonders gut gefällt, sind die Träger aus Spandex und Leder. Auch beim Schauspielen sind es gerade die Kleinigkeiten, die eine Figur glaubhaft machen. In der Fernsehserie Türkisch für Anfänger spiele ich eine Muslimin und muss Kopftuch tragen. Mal zum Turban gebunden, mal mit einer Blume festgesteckt. Durch die Art und Weise, wie ich es binde, kann ich zeigen, dass ich trotz traditioneller Kopfbedeckung eine moderne Frau bin. Manchmal schaden Details auch. In dem Film Women without Men bin ich einmal nackt zu sehen. Seitdem habe ich im Iran Einreiseverbot.

Pegah Ferydoni, 28, wurde im Iran geboren und lebt in Berlin. Ab 15. März ist sie in »Türkisch für Anfänger - Der Film« im Kino zu sehen.

Tim Raue

Tim Raue

In meinem Beruf lege ich so großen Wert auf sorgfältige Handarbeit, da kann ich mir keine Kleidung von der Stange kaufen. Deshalb trage ich möglichst Maßgeschneidertes. Die grünen Schuhe sind von Dieter Kuckelkorn aus Aachen. Ich beschäftige mich gern mit Mode. Hätte ich die Möglichkeit gehabt zu studieren, wäre ich wahrscheinlich Designer geworden. Ich mag es gern britisch: Die Kleidung in gedeckten Farben, Schuhe und Socken dafür bunt. Beim Kochen im Restaurant ziehe ich Sneakers an. Ich verbrauche pro Monat mehrere Paar Schuhe. Wenn man wie ich 16 Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche, auf den Beinen steht, lässt die Dämpfung der Schuhe schnell nach. Das mag ich nicht, ich brauche das Gefühl, wie auf Wölkchen zu gehen. Ja, ich bin detailversessen, vielleicht sogar ein Pedant. Und ich treibe alle mit meiner Genauigkeit in den Wahnsinn. Geben Sie mir einen Teller, und ich kann Ihnen zehnmal hintereinander die Kräuter an genau die gleiche Stelle legen. Ohne Markierung! Weil ich immer eine klare Idee davon habe, was ich gerade tue. Sich mit Kleinigkeiten zu beschäftigen hat etwas Meditatives, es erfordert starke Konzentration. Dann spürt man, dass man sehr bewusst lebt.

Tim Raue, 37, ist Koch, »SZ-Magazin«-Kolumnist und hat 2010 mit seinem Restaurant »Tim Raue« in Berlin einen Michelin-Stern bekommen.

Mitwirkung: Betty Sommer (Styling), Zisel (Haare & Make-up). Carmen Catuti (Assistentin)

Fotos: Andreas Mühe