Name: Martin Genz
Geboren: 1988 in Berlin
Ausbildung: 2007-10 an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin
Hompage: www.martingenzphoto.com
Auf viele Menschen dürften Ihre Bilder schockierend wirken. Können Sie das verstehen?
Ja, das kann ich sehr gut verstehen. Ich habe häufig beobachtet, dass Leute, die meine Arbeit betrachten, sehr gespalten reagieren. Die Erfahrung des Betrachters mit der Thematik und der Umgang damit ist entscheidend.
Was war für Sie der Grund, sich mit dem Thema Tod zu beschäftigen?
Die Arbeit macht einen Teil der Prozesse nach dem Sterben sichtbar und soll ein Verständnis dafür entwickeln, wie sich der Tod in unserem Leben manifestiert. Es geht mir darum, uns mit Themen zu konfrontieren, die wir gerne aus unserem Alltag verdrängen. Ich will aufzeigen, dass der Tod ein Teil unseres Lebens ist.
Sind Sie der Meinung, unsere Gesellschaft beschäftige sich zu wenig mit dem Tod?
Die Zahl der Leichenverbrennungen nimmt zu, die Zeit zwischen Tod und Begräbnis verkürzt sich. Es ist eine zunehmende Ablehnung zu verzeichnen, die Körper der Toten aufzubahren. Ebenso ist die Bereitschaft gesunken, Trauerkleider zu tragen oder in anderer Art und Weise öffentlich Trauer zu zeigen. Das alles ist meiner Ansicht nach eine eher schlechte Grundlage, um sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinander zu setzen. Es sollte einen bewussteren Umgang mit dem Tod geben, schließlich ist der Tod ein Bestandteil des Lebens. Eine gesunde Trauerarbeit setzt voraus, dass der Tod nicht tabuisiert wird. Ich finde, die Aufbahrung eines Verstorbenen ist sehr wichtig, damit sich Familien von ihren Angehörigen richtig verabschieden können. Die Chefin des Bestattungsunternehmen hat mir zum Beispiel von einer Mutter erzählt, die ihre noch junge Tochter bei einem Unfall verloren hatte. Sie besuchte ihre aufgebahrte Tochter drei Tage lang für mehrere Stunden, um Abschied zu nehmen, und war für diese Zeit und die Unterstützung bei ihrer Trauerbewältigung sehr dankbar.
Wo sind die Aufnahmen entstanden?
Angefangen mit dem Projekt habe ich im Brandenburgischen Landesinstitut für Rechtsmedizin in Potsdam. Nach einiger Zeit habe ich begonnen, auch im Krematorium "Am Alten Friedhof" Potsdam zu fotografieren. Danach habe ich meine Arbeit beim Bestattungsinstitut Dieckmann und bei der Feuerbestattungs-GmbH Brandenburg an der Havel fortgesetzt.
War es schwierig, eine Fotoerlaubnis für die Gerichtsmedizin zu erhalten?
Nach einem ersten Gespräch wurde ich eingeladen, um an einer Sektion als Betrachter teilzunehmen – ohne Fotos. Es ging darum herauszufinden, ob ich mir eine Sektion überhaupt anschauen kann. Die Freigabe zum Fotografieren bekam ich dann von den jeweiligen Staatsanwälten, die die Fälle der Verstorbenen bearbeitet hatten. Mordopfer durfte ich aber nicht fotografieren, um keine Beweismittel offen zu legen.
Hat es Sie Überwindung gekostet, Leichen zu fotografieren?
Anfänglich hatte ich schon Berührungsängste. Durch Nutzung eines Macro-Objektives musste ich sehr nah an die Leichen heran. Ich habe immer versucht, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und nicht zu sehr über die Person nachzudenken, die dort vor mir lag. Nach einiger Zeit setzte dann eine gewisse Routine ein und das Fotografieren wurde immer leichter. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik hat eine bestimmte Entmystifizierung für mich stattgefunden, die im Nachhinein betrachtet dazu geführt hat, dass ich weniger Angst vor dem Sterben habe.
Wie gehen die Menschen, die dort arbeiten, mit dieser Routine um? Stumpft man nicht irgendwann ab und wird vielleicht sogar zynisch?
Ich glaube, das ist ein Klischee. Die Arbeit mit den Verstorbenen war in allen Betrieben immer sehr würdevoll. Ich habe dieses Thema auch in einem Kapitel in meinem Buch aufgegriffen. Dort habe ich diese Menschen porträtiert und Ihnen mittels kurzer Interviews die Möglichkeit gegeben, einen Einblick in ihr Berufsleben zu geben. Das Bestattungsinstitut Dieckmann ist ein Familienbetrieb, der mittlerweile in sechster Generation besteht. Die Leute dort setzen sich sehr intensiv mit den Familien der Verstorbenen auseinander, besuchen diese auch Zuhause, um die formellen Begebenheiten zu klären. Natürlich dürfen sich die Menschen in solchen Berufen aber nicht allzu emotional auf ihre Arbeit einlassen. Das gilt besonders für die Rechtsmediziner, deren Arbeit der Aufklärung und Wahrheitsfindung dient. Da ist ein gewisser Abstand und eine gewisse Routine notwendig. Aber auch dort war die Atmosphäre immer sehr freundlich.
Martin Genz' Fotoserie "Ein Sarg nur und ein Leichenkleid" ist in einer Edition von 30 Stück als Buch erschienen. Es ist über info@martingenzphoto.com erhältlich und kostet 69 Euro (28x40 cm, 98 Seiten, Leinen). Ab 28. Mai sind die Fotografien auch in einer Ausstellung im Brandenburgischen Landesinstitut für Rechtsmedizin (Potsdam) zu sehen.
Fotos: Martin Genz