Ein Leben mit Bobby

Der Schachspieler Boris Spasski steht bis heute im Schatten seines  amerikanischen Kontrahenten Bobby Fischer. Nun wurde deren legendäre Partie von 1972 von Hollywood verfilmt – zum Filmstart eine Begegnung und die Frage: Wie lebt es sich als ewige Nummer 2?

Bobby, Bobby, Bobby. Immer nur Bobby, ein Leben lang. Wie oft Boris Spasski wohl zu Bobby Fischer befragt worden ist? 79 Jahre ist er alt, und immer noch kommen die immergleichen Fragen nach dem Mann, gegen den er vor 44 Jahren den Weltmeistertitel im Schach verloren hat. Als ob er nicht selbst ein großer Spieler gewesen wäre und nichts anderes erlebt hätte.

Hollywood hat einen Spielfilm über das WM-Finale in Reykjavik gedreht: »Das Bauernopfer - Spiel der Könige«. Filmstart nächste Woche. Es ist, wie könnte es anders sein, vor allem ein Film über Bobby Fischer geworden.

Bobby Fischer, geboren im Jahr 1943, gestorben 2008, war der erste Spieler aus dem Westen, der nach dem Krieg russische Schachpieler überhaupt schlagen konnte. Schon früh ging er seinen Mitmenschen auf die Nerven mit oft unerfüllbaren Forderungen nach besseren Turnierbedingungen. Auf dem Brett galt er als kreativer Angriffsspieler, »der Züge entdeckte, die kein anderer sah«, so Lothar Schmid, der deutsche Schiedsrichter beim WM-Finale 1972. Fischer war noch jung, als er das Finale gegen Spasski auf Island erreicht hatte, 29 Jahre alt, er sah gut aus, er war der Außenseiter, und es herrschte Kalter Krieg, den Fischer schließlich gewann. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere zog er sich zurück, das machte ihn endgültig zum Sinnbild des Klischees vom Schachspieler zwischen Wahnsinn und Genie. Nie wieder war Schach so populär wie im Jahr 1972.

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Fischer wurde zu einer Legende, die so groß war, dass es nicht einmal ihm selbst gelang, sie zu zerstören: Er leugnete den Holocaust und begrüßte die Anschläge vom 11. September. 1992 akzeptierte er offenkundig schmutziges Preisgeld eines jugoslawischen Bankers für einen inoffiziellen Rückkampf gegen Boris Spasski. Garri Kasparow, einer seiner Nachfolger, sagte: »Ihm blieb die Wahl: Legende bleiben und arm sterben oder Legende opfern und reich sterben.« Aber Kasparow hatte in diesem Fall unrecht: Fischer nahm das Geld und blieb dennoch eine Legende.

Noch heute ist sein Name selbst Menschen ein Begriff, die nicht einmal die Schachregeln kennen. Der Name Boris Spasski dagegen ist nahezu unbekannt.

Hollywood hat nicht einmal nachgefragt, wie er denn Bobby Fischer erlebt hat. Ob denn die Legende mit der Person Bobby Fischer, so wie er sie in Erinnerung hat, übereinstimmt?

Boris Spasski trägt es mit Fassung und antwortet zum Filmstart höflich wie eh und je: »Nein, Bobby war ein Gentleman am Brett.« - »Nein, ich verüble ihm die vielen Proteste nicht, er hat ja unser beider Bedingungen verbessert.« - »Nein, die Partien zwischen uns auf Island waren nicht genial, ich habe ich nicht mein bestes Schach gezeigt.« - »Nein, Bobby Fischer war nicht wahnsinnig, solange er Schach spielte.«

Boris Spasski verübelt der Welt nicht, dass sie immer noch von Bobby Fischer fasziniert ist. Schließlich geht es ihm genauso: Er träumt noch regelmäßig von Bobby und seine Erinnerungen an ihn sind detailliert.

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Der zweite Mann

Boris Spasski war Schachweltmeister, und doch stand der Russe stets im Schatten seines legendären amerikanischen Gegenspielers Bobby Fischer. Nun hat Hollywood jenen Kalten Krieg am Schachbrett verfilmt. Wir haben uns den Film angesehen - zusammen mit Boris Spasski.

Foto: Fabian Zapatka