Auch wenn die Amtseinführung in Washington vergangene Woche coronabedingt in einem so kleinen Kreis gefeiert wurde wie nie – für sich an rote Teppiche nur noch wehmütig erinnernde Modebegeisterte (und Moderedakteur*innen) fühlte sie sich ähnlich an wie sonst die Oscar-Verleihung.
Die stilistischen Schwergewichte wurden längst ausgiebig besprochen. Starke Mäntel (Kamala Harris, Dr. Jill Biden, Michelle Obama), die Farbe Lila (Kamala Harris und Hillary Clinton), Lady Gaga (dramatisch erst in Givenchy, dann Schiaparelli), Ralph Lauren (Ausstatter von Joe Biden als auch Second Gentleman Douglas Emhoff), Amanda Gormans Prada-Haarreif und – allen voran – Bernie Sanders Fäustlinge, upgecycelt und handgestrickt von einer Lehrerin aus seinem Heimatstaat Vermont.
Der eigentliche Style-Star der Veranstaltung war aber ein anderer (allerdings mit etwas weniger eigenen Memes): Ella Emhoff, Tochter von Douglas Emhoff aus erster Ehe und Stieftochter der Vizepräsidentin Kamala Harris. Zur Amtseinführung erschien die 22-Jährige in einem karierten A-Linien-Mantel von Miu Miu mit Glaskristall-besetzter Schulterpartie und großem weißen Spitzenkragen, in dem sie – gepaart mit Plateau-Boots, runder Nickelbrille und Lederhandschuhen – genau so viel halbironischen Geek-Chic versprühte, dass es noch Spaß macht und nicht verkleidet wirkt. Laut der Modesuchplattform Lyst löste dies innerhalb von sechs Stunden einen Anstieg nach Miu-Miu-Mänteln um 455% aus.
Darunter trug Emhoff, die Textildesign-Studentin an der New Yorker Parsons School of Design ist, ein gerüschtes Kleid der aufstrebenden New Yorker Designerin Batsheva Hay, ihr Haarreif stammte von dem New Yorker Accessoire-Label Loeffler Randall. Und auch am Tag zuvor unterstützte Emhoff mit ihrer Kleiderwahl einen lokalen Designer und trug zur Ankunft am Lincoln Memorial einen Komplett-Look von Thom Browne aus Faltenrock, Button-Down-Hemd, gestreifter Krawatte und doppelreihigem Mantel – eine Art humorvolle Laufstegvariante der Hogwarts-Schuluniform.
Ihre geringelten Strickhosen verlost sie gegen Spenden zur Unterstützung Schwarzer Transpersonen
Die Auswahl dieser Looks und Marken dürfte keineswegs zufällig getroffen worden sein – Emhoff hat für große Anlässe zwar neuerdings das Stylistinnen-Duo Jill Lincoln und Jordan Johnson an ihrer Seite (die sonst Hollywood-Größen wie Jennifer Lawrence oder Constance Wu einkleiden), ihren ganz individuellen Stil hat sie aber auch ohne.
Auf Emhoffs Instagram-Account findet man bunte Entwürfe ihres eigenes Strick-Labels und dazu jede Menge Gen-Z-Authentizität. Ihre geringelten Strickhosen verlost sie gegen Spenden zur Unterstützung Schwarzer Transpersonen. Sie trägt pinke Augenbrauen, Achselhaar und kein Make-up, dafür witzige, teils selbstgestochene Tattoos und ebenfalls selbstgemachte Fischerhüte – und bildet mit all dem einen erfrischenden, modernen Gegenentwurf zum glattgebügelten Barbie-Konservatismus des einstig obersten Polit-Nachwuchses einer Ivanka Trump.
Übrigens: Ella Emhoff (benannt nach der Jazz-Legende Ella Fitzgerald, klar) nennt Kamala Harris wegen der (nachvollziehbaren) Ablehnung des negativ konnotierten Begriffs »Stiefmutter« liebevoll »Momala« und bewies beim Auftreten von deren Vorgänger Mike Pence während der Vereidigung so eindrucksvoll ihr Können in Sachen wellenförmiges Augenbrauen-Hochziehen, dass ein Video davon viral ging. Hat noch jemand Zweifel an ihrer Coolness?
Wir freuen uns jedenfalls über mehr 2021-Zeitgeist im erweiterten Weißen Haus – und mehr individuelle, farbenfrohe DIY-Looks an selbiger Stelle.
Wird getragen von: KunststudentInnen, DIY-EnthusiastInnen, Anime-Fans, dem Cast von »Sex Education«
Wird getragen mit: Hafermilch, #NoMakeup, Patchwork-Jacke, Slow Fashion, selbstgefärbten Haaren
Trageanlass: Warehouse-Parties, Klimastreik, Amtseinführung des US-Präsidenten