Rock wie Hose

Auferstanden aus den Nullerjahren: Man trägt jetzt wieder Röcke und Kleider über Hosen – ein Trend, der die Mode polarisiert wie kaum ein anderer. Aber warum eigentlich?

Schicht für Schicht: Jessica Alba im Jahr 2003, die aktuelle Mango-Kollektion, Katie Holmes Ende vergangenen Jahres und wieder Mango.

Fotos: Getty Images, Mango, Getty Images, Mango

Das Schreckgespenst der Mode stammt aus den frühen Nullerjahren, wurde von Frauen wie Sienna Miller, Misha Barton und Britney Spears verbreitet, spaltete die Gemüter und wurde dann vollmundig in die ewige Verbannung geschickt: Rock über Hosen beziehungsweise Kleid über Hosen, im Englischen »Drousers« respektive »Skousers« genannt (eine Kombination aus Dress/Skirt und Trousers) – doppelt bescheuerte Idee, absolutes No-Go, auf Nimmerwiedersehen damit.

Aber richtiges Fegefeuer gibt’s in der Mode ja bekanntlich nicht. Ein Trend kann noch so oft verflucht worden sein, irgendwann holt ihn jemand tollkühn von den Untoten herauf, woraufhin sich die einen arrangieren, während es die anderen weiterhin gruselt. Im Falle der Wiederkehr von Rock über Hose darf man einen Teil der Schuld Katie Holmes geben. Die Schauspielerin besuchte Ende vergangenen Jahres die Weihnachtsgala eines New Yorker Radiosenders, und statt sich zu fragen, was diese hochkarätige Prominente da eigentlich zu suchen hatte, stürzten sich alle auf ihre Kleiderwahl: Die 44-Jährige hatte doch tatsächlich ein Minikleid über einer Jeans an. Alle sogenannten Y2K-Trends waren zu diesem Zeitpunkt bereits recycelt worden – schmale Sonnenbrillen, bauchfrei, Hüfthosen und so weiter – aber an diese Kombination aus der Hölle hatte sich bislang niemand öffentlich gewagt.

Die New York Times wandte sich sofort an Holmes‘ Stylistin Karla Welch und forderte eine Erklärung. Was habt ihr euch dabei bloß gedacht? Erstens sei das ja in Wahrheit ein langes Bustiertop gewesen, sagte die bekannte Stylistin, vor allem fanden sie den Look aber »jugendlich«.

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Auf dem Laufsteg waren zuvor schon ein paar Skousers zu sehen gewesen, im Februar wurden die Herbstkollektionen präsentiert, also jene Sachen, die genau jetzt in den Läden liegen. Rock über Hose bei Chanel, bei Burberry, Armani, ein ganzes Dutzend bei Fendi. Wer in diesen Tagen mal einen Blick in ein Schaufenster von Mango geworfen hat: Dort hängt ein silbern schimmerndes Hemdkleid über einer schwarzen Schlaghose. Der Trend ist also längst wieder mitten unter uns.

Das sieht dann nicht nach Schichtsalat, sondern durchdachtem Layering aus

Deshalb haben sich bereits mehrere Zeitzeugen in Frauenzeitschriften zu Wort gemeldet, um noch einmal ihre ganz persönlichen Erfahrungen aus den Nullerjahren zu schildern. Es sei auf Dauer einfach eine Schicht zu viel gewesen, heißt es dort. Ein heilloses, unförmiges Durcheinander am Körper. Als wäre man im Rock zu einer Gartenparty gegangen und hätte sich dann zu später Stunde, wenn es kühl und eh egal ist, schnell eine Hose drunter gezogen. Eine Vogue-Autorin wagte vergangene Woche den Selbsttest und trug in einer Woche drei verschiedene Varianten. Spoiler-Alert: Sie überlebte. Sogar ganz gut.

Zugegeben, Katie Holmes sah damals tatsächlich nicht besonders vorteilhaft aus, weil das Top über der Jeans zu gestaucht wirkte. Aber die neuen Varianten der »Drousers«, »Skousers«, whatever, sind deutlich gelungener, weil eleganter. Hier wird nichts hippiemäßig zusammengewürfelt, keine unterschiedlichen Muster und Stoffe übereinander gezogen. Meistens haben Rock und Hose die gleiche Farbe oder sind zumindest aus dem gleichen, fließenden Stoff. Das sieht dann nicht nach Schichtsalat, sondern durchdachtem Layering aus. Die Vorteile sind selbst ohne Selbsttest leicht zu erraten: Man kann sich damit bequem hinsetzen, sogar im Schneidersitz, und noch einmal Kleider tragen, für die es eigentlich schon eine Spur zu kalt ist.

Genau betrachtet, ist die Kombination auch gar nicht so weit hergeholt, sondern im wahrsten Sinne des Wortes hausgemacht. Denn der Ursprung des Ganzen ist: die Schürze über der Hose. Bei der gerade zu Ende gegangenen Schau über Akris im Museum für Gestaltung Zürich konnte man noch einmal die Anfänge der mittlerweile hundertjährigen Schweizer Marke verfolgen. Alice Kriemler-Schoch hatte Schürzen genäht, morgens band sie sich dynamisch selbst eine um und ging zur Arbeit. Ein schönes, hochwertiges Modell war damals so etwas wie der ultimative Modeartikel für die Hausfrau, der später eben nicht mehr nur über Röcken, sondern auch Hosen gebunden wurde. Womöglich ist das einer der Gründe für die starke Abneigung gegen diesen Trend. Weil viele Frauen unbewusst immer an Schürzen, Herd und Backblech denken.

Akris entwarf als Hommage an die Wurzeln unlängst taillierte Schürzenkorsagen und kurze Wickelschürzen über Hosen, die wie moderne Anzüge für Frauen wirken. Und just vor ein paar Stunden präsentierte das gehypte Label Courrèges in Paris fließende Tuniken über Hosen mit Cut-Outs, A-Linien-Kleider und -Röcke im typischen Lackleder über geraden Hosen. Totgesagte leben länger.