Männerbein: hitzefrei

Pharrell Williams trug bei der Gedenkfeier für Karl Lagerfeld eine kurze Hose, Mario Götze sogar auf seiner eigenen Hochzeit. Hat das etwas mit den Temperaturen zu tun? Oder doch mit Gleichberechtigung?

Pharrell Williams (2.v.r.) auf der Gedenkfeier für Karl Lagerfeld.

Foto: Getty

Ob Mario Götze eigentlich klar ist, was er da getan hat? Dass er gerade auf Mallorca Ann-Kathrin Brömmel geheiratet hat, vermutlich schon. Jedenfalls postete er am Wochenende Fotos von der Hochzeitsfeier auf Instagram, standesamtlich waren sie ohnehin bereits 2018 getraut worden. Die Kollegen einzuladen, die beim FC Bayern München spielen (Manuel Neuer, Thiago) – was einige BVB-Fans »hassten« –, dürfte er ebenfalls im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan haben.

Aber ernsthaft in kurzer weißer Hose auf einem der Hochzeitsfotos posieren: Das ist das eigentlich Denkwürdige hier, womöglich ein Paradigmenwechsel, quasi das Bosman-Urteil in Sachen Hochzeits-Garderobe.

Sicher, Fußballer tragen ständig Shorts. So kennen und lieben sie ihre Fans. Das englische Duo Alan und Denise besang nicht umsonst 1983 die »sexy knees« von Karl-Heinz Rummenigge. Aber bislang schaffte es selbst jemand wie Sergio Ramos – der übrigens nur wenige Tage zuvor in Sevilla heiratete – sich für besondere Anlässe (Disco-Besuche, diverse Champions-League-Feiern) eine lange Hose überzuziehen. Im Gegensatz zu Frauenwaden, die gar nicht nackt genug sein dürfen, werden nackte behaarte Männerwaden in kurzen Hosen gesellschaftlich noch immer ausgegrenzt und weitestgehend weggesperrt.

Immerhin hier holt die Gleichberechtigung jetzt rasant auf: Pharrell Williams ging schon 2014 in kurzen Hosen zur Oscar-Verleihung, seitdem setzt sich die Wade als neues Statussymbol schleichend durch. Nicht nur Fußballer lassen sich dort neuerdings tätowieren, auch auf den Laufstegen waren in den letzten Saisons so viele nackte Männerbeine zu sehen wie nie zuvor. Selbst in der aktuellen Männerkampagne von Versace – unverdächtig in Sachen zu wenig Testosteron – posiert ein Model in kurzen Hosen. Überflüssig zu erwähnen, was Pharrell Williams vergangene Woche bei seinem Auftritt auf der Gedenkfeier für Karl Lagerfeld trug, der auch posthum noch die größte modische Instanz ist.

Als Hochzeitslook könnte die Shorts noch einmal neue Wellen schlagen. Zumal losgetreten von einem Fußballer, dieser Berufsgruppe, die selbst kanariengelbe Strampelanzüge populär machen kann. Männer sind im Wedding-Segment bislang hoffnungslos unterrepräsentiert. Während Brautmoden in manchen Städten ganze Straßenzüge einnehmen, ist das Angebot für Bräutigame beziehungsweise die Nachfrage derselben eher beschränkt. Selbst bei den heute üblichen Garderobenwechseln bleibt es im Zweifelsfall beim dunklen oder dem silbergrauen Anzug, wie Mick Jagger ihn bei seiner Hochzeit mit Bianca trug. Womöglich kommt jetzt endlich Bewegung in die Sache. Soll noch mal einer behaupten, Mario Götze würde nichts mehr reißen.

Um den Look tragen zu können, muss man nicht mal WM-Torschütze sein und sich eine Sause auf Mallorca oder den Bahamas leisten können. Selbst im nördlichen Brandenburg soll es an diesem Wochenende 34 Grad heiß werden. Von Sahnecremetorten wird dringend abgeraten, von Hochzeitsfeuerwerk sowieso (akute Waldbrandgefahr), aber wenigstens untenrum kann der Bräutigam sich endlich klimagerecht anziehen.

Dann wäre auch endlich Schluss mit diesem ewigen optischen Ungleichgewicht auf Hochzeitsfotos: Frauen liegen dort meist schulter- oder rückenfrei im Arm des Mannes, der nahezu gar keine nackte Haut zeigt. Dabei ist unser Auge doch auf Symmetrie angelegt. Jetzt kann sie freizügig oben, er freizügig unten agieren – Yin und Yang, endlich Harmonie. Dann sollen für Männer aber bitte genauso leidige Schönheitsstandards gelten wie für Frauen: Besser die entblößte Wade ist gut in Form.

Wird auch getragen von: Pharrell Williams, Thom Browne, Justin Bieber
Das sagt der BVB-Fan: »Zum Ergötzen!«
Typischer Instagram-Kommentar: »#klimawa(n)del«