Bevor das Jahr zu Ende geht, möchte ich mich bei den vielen Lesern bedanken, die mir im Lauf der Zeit immer wieder schrieben, wie ihnen Kinder, Neffen, Nichten oder Enkel mit einem Lied auf den Lippen zum Geburtstag gratulierten, dessen Text lautete: Heb die Bürste, juchhu..!
Wobei man sich fragt, welch seltsame Gratulationsrituale die Lieben sich da vorstellten. Dass man zur Ehrung des Jubilars eine Bürste in die Luft hebt? Oder der Geehrte eine solche heben muss? Das hat surreale Kraft, wie ich finde. Mir gefällt, wie sich die Welt der Erwachsenen in den Köpfen der Kinder in etwas anderes, Schöneres verwandelt. Wie also das Wort Schwyzerdütsch zwischen den Ohren eines achtjährigen Mädchens zu Zwitscherdütsch wurde; der Rezensent C. erzählte die Geschichte in der Besprechung eines meiner Bücher. Oder wie, dies teilte Herr E. aus Sankt Augustin mit, in der Klasse seiner Tochter in Erdkunde nach einem Mittelgebirge in der Nähe von Bonn gefragt wurde. Eine Schülerin, durchtrainiertes Wintersport-Ass, antwortete, es müsse sich um das Rheinische Skifahrgebirge handeln. (Das Wort Schiefergebirge war ihr nicht geläufig – was sollte man in dem auch tun? Schiefern?)
Weil wir in der Schule sind: Frau E. schrieb aus Münster, ihre Tochter Jenny habe in der ersten Klasse als Hausaufgabe die Zahl 11 üben, also lauter 11en malen sollen. Sie habe sich als Mutter dann über viele kleine geflügelte Fabelwesen gewundert, welche die Heftseiten bedeckten. Das sollte eine Hausaufgabe im Rechnen sein? Jenny bestand aber darauf, dass sie Elfen malen sollte.
Dann war da noch Julia, die Tochter von Leserin K. aus Koblenz. Als sie drei Jahre alt war, gab es einen Nikolaus-Empfang in einer Bank, Eltern und Journalisten waren anwesend. Der Bankvorstand wollte einen Scheck zugunsten des Kindergartens überreichen. Der Nikolaus trat ein. Julia trat vor ihn hin und sprach ein Gedicht, das mit den Zeilen begann: »Nikolaus, du guter Mann, du magst die Kinder, ich seh’s dir an…«
Julia aber sagte: »Nikolaus, du guter Mann, du machst die Kinder, ich seh’s dir an…«
Große Freude unter den Anwesenden.
Hier eine Geschichte zum Vatertum. Herr L. aus Freiburg hat zwei Töchter, die in den Siebzigerjahren, als man sich dem Lied Dschingis Khan der gleichnamigen Band kaum entziehen konnte, gern mitsangen, mit diesem Text:
»Und man hört ihn lachen
ho, ho, ho, ho,
immer lauter lachen
ha, ha, ha, ha,
und er leert den Krug in einem Zug.
Und jedes Weib, das ihm gefiel,
das nahm er sich in sein Zelt.
Es hieß die Frau, die ihn nicht liebte,
gab es nicht auf der Welt.
Er säugte sieben Kinder in einer Nacht
und über seine Feinde hat er nur gelacht,
denn seiner Kraft konnt’ keiner widersteh’n.«
Ist das nicht unglaublich? Ein solcher Kraftmensch, saufend, die Frauen anziehend – und dann: »Er säugte sieben Kinder in einer Nacht…« Ob er ihnen die Flasche gegeben hat? Oder sollte auch im physischen Sinne die Geschlechtergrenze verrückt werden? Jedenfalls verblasst die eigentliche Zeile (»Er zeugte sieben Kinder in einer Nacht…«) gegen diesen Text, in dem partnerschaftliche Modelle propagiert wurden, von denen wir immer noch weit entfernt sind.
Weihnachten ist da, das Fest der Kinder. (Deshalb erzähle ich ja all diese Kindergeschichten hier.) Der Leserin P. aus Gernsbach hat einmal ein Weihbischof persönlich erzählt, wie er in der Adventszeit einen Kindergarten besucht und die Kinder dort gefragt habe, welche Geschenke die Drei Könige aus dem Morgenland dem Christkind mitgebracht hätten. Die Antwort lautete: Gold, Weiber und Möhren.
Illustration: Dirk Schmidt