Im Fernsehen lief ein Film über Haie. Es wurden Menschen gezeigt, welche die These vertraten, Haie seien im Grunde sehr nette Tiere, die, nur weil sie Gemüse, Tofu und Vollkornprodukte nun mal nicht vertrügen, zu den bekannten Unfreundlichkeiten im Umgang mit anderen Lebewesen gezwungen seien.
Wenn man sich den Haien zuwende, so behaupteten diese Menschen, wenn man sie zum Beispiel an einer bestimmten Stelle zwischen den Augen zärtlich berühre, dann werde den Haien ganz schwubbelig und bubbelig zumute. Sie würden halb ohnmächtig vor Freude über die ungewohnte Freundlichkeit. Man müsse es nur wagen!
Die Menschen im Film streiften sich dann Taucheranzüge über und sprangen ins Wasser, wo sie Haie antrafen. Die Haie näherten sich den Tauchern, die Taucher näherten sich den Haien, ich fürchtete das Schlimmste, da gelang es einem der Männer, einen Haifisch zwischen den Augen zu streicheln. Der Hai verlor schlagartig jede Körperspannung, er sah aus, als würde ihm schwubbelig und bubbelig wie noch nie, sank zu langsam zu Boden, als hätte er sein Leben lang auf diese Berührung gewartet. Als sei er zum ersten Mal in seinem Wesenskern erkannt worden.
So machten es die Männer mit zahlreichen Haien, und immer geschah das Gleiche: ganz hai vor Glück taumelten die Fische durchs Wasser. Sodass man jedem, der einem Hai begegnet, raten muss, einen Arm auszustrecken und den Hai mit der Hand zwischen den Augen zu streicheln.
Falls man dann noch eine Hand hat.
Ich bin, wenn ich solche Filme sehe, froh, dass es Menschen gibt, die Freude an solchen Tätigkeiten empfinden. Mit Haien im Wasser zu spielen. Mit Gorillas Urwälder zu durchstreifen. Mit Bären Lachse zu angeln. Irgendjemand muss
diese Dinge tun, damit wir mehr über Haie, Gorillas und Bären, auch über Lachse erfahren. Aber ich möchte es nicht sein. Ich möchte der sein, der diese Filme sieht.
Gerade habe ich etwas über Forscher gelesen, die eine neue, viagraartig wirkende Salbe an Ratten ausprobierten. Das Problem mit Viagra ist, dass man es einige Zeit, bevor man es braucht, einnehmen muss. Wenn man es dann doch nicht benötigt, hat man es aber eben nun mal eingenommen und sitzt da »wie bestellt und nicht abgeholt« (hätte meine Oma gesagt). Deshalb hat man die Salbe entwickelt. Sie ist an Ort und Stelle aufzutragen und wirkt sofort, wie man aus Rattenexperimenten weiß.
Es gibt also Menschen, die morgens zur Arbeit gehen, Rattenpenisse eincremen, Rattenerektionen vermessen. Man möchte den Beruf nicht haben, man möchte ihn nicht seinen Kindern erklären müssen. Aber ich werde nie aufhören, über die Vielfalt menschlicher Tätigkeiten zu staunen.
Über den Biologen Lynn Rogers habe ich gelesen, dass er, um mehr über das Leben von Bären zu erfahren, beschloss, sein Leben mit Bären zu teilen, in der Wildnis. Er sagt nun, aufgrund seiner Forschungsergebnisse müsse man wesentliche Erkenntnisse über Bären revidieren, zum Beispiel: dass sie Honig mögen, sei unwahr. Die Geschichte von Pu, dem Bären, muss neu geschrieben werden!
Außerdem sagt Lynn Rogers, Bären seien ungefährlich (was jeder Leser von Pu, der Bär auch zu wissen glaubt). Den Statistiken zufolge bringe nur einer von 50 000 Grizzlys einen Menschen um, aber einer von 18 000 Menschen töte einen anderen. Das erinnert mich an ein Interview mit dem berühmten Gerichtsmediziner Eisenmenger, der einmal sagte, man müsse Tote viel häufiger obduzieren. Die Hälfte aller Morde werde nicht entdeckt. Ungefähr 1400 Tötungsdelikte pro Jahr, so eine Studie, würden nicht erkannt. In zehn Jahren sind das 14 000. Zehntausende von Mördern laufen in Deutschland frei herum!
Haie streicheln! Bären füttern! Ist das nicht doch Kinderkram? Ich gehe jetzt auf einen Kaffee in die City. Wer weiß schon, ob ich je zurückkehre?
Zu den besten Tierfilmen, die Axel Hacke zuletzt gesehen hat, gehört "Mikrokosmos", in dem das Leben auf einer Sommerwiese gezeigt wird. Schockierend, wie der Marienkäfer die Blattlaus verspeist!
Illustration: Dirk Schmidt