McDonald’s

Die Erfolgsgeschichte von McDonald’s beruhte jahrzehntelang darauf, weltweit dieselben Produkte anzubieten, ohne jeden regionalen Ursprung. Gerade dass ein Hamburger in Chicago und Tokio, in Paris und Moskau exakt identisch aussah und schmeckte, machte die Lokale zum Hafen des Vertrauten inmitten einer fremden Umgebung. Auf welchen Wegen die Zutaten in die abgelegensten Winkel der Erde gekommen waren, spielte keine Rolle; im Gegenteil, dieses Unwissen stärkte das Vertrauen in die Marke noch, machte die Erzeugnisse immun gegen die Unwägbarkeiten des Verkaufsortes.

Auch am typischen Aufbau jedes Restaurants war dieses Prinzip erkennbar. Eine Zwischenwand trennte den Verkaufsbereich von dem uneinsehbaren Küchenbereich dahinter, denn die Cheeseburger oder Big Macs durften für die Kunden erst als fertiges Produkt sichtbar werden. Als Kinder versuchten wir bei McDonald’s manchmal, gegen den Argwohn der Angestellten, einen Blick in die verborgene Zone zu erhaschen. Wenn man dann für einen Moment die bloßen aufgeklappten Brötchen auf dem Tablett liegen sah, mit den Mayonnaise- und Ketchup-Fläschchen daneben, war das wie ein verbotenes Spähen hinter die Kulissen, so als hätte man den Clown Ronald McDonald vor dem Auftritt in seiner Garderobe überrascht, die beiden Wangen noch blass, das Weiß und Rot nicht wohlkomponiert auf dem Gesicht, sondern in verstreuten Farbtöpfchen auf dem Schminktisch.

Seit zwei, drei Jahren arbeitet McDonald’s massiv daran, dieses traditionelle Konzept umzustellen. Nicht allein, dass das Sortiment um eine Reihe von Salaten ergänzt und Gesundheitsbewusstsein in den Unternehmensauftritt integriert wurde – es geht um die gesamte Präsentationsweise des Konzerns. Mit großer Werbeanstrengung versucht McDonald’s im Moment, seine Produktionsbedingungen freizulegen, das Augenmerk auf die Transparenz der Abläufe und die Herkunft der Zutaten zu lenken. Die einheimischen Hersteller von Rindfleisch, Kartoffeln, Milch werden auf der Homepage porträtiert, die Fahrtwege der Lieferanten auf eigentümlich detaillierte Art dokumentiert. Zudem rief man vor Kurzem eine »Backstage bei McDonald’s«-Kampagne ins Leben, die jedem Interessierten die Gelegenheit gibt, sich im einstmals so gut gehüteten Küchenbereich umzusehen. All diese Anstrengungen sollen eines bewirken: dass die McDonald’s-Erzeugnisse nicht mehr als ort- und geschichtslos wahrgenommen werden.

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Auslöser dieser radikalen Umstellung sind zweifellos die wirtschaftlichen Probleme, mit denen der Konzern in der Zeit nach der Jahrtausendwende zu kämpfen hatte. 2002 sank der Gesamtumsatz zum ersten Mal in der Firmengeschichte; die ansteigende Sensibilität für Ernährungsfragen behinderte das gewohnte Wachstum. Irgendwann in dieser Krisenzeit müssen die Verantwortlichen ihren Blick auf den prosperierenden Konkurrenten »Starbucks« geworfen haben. Denn neben dem erweiterten Salatangebot sind es die jüngst eingeführten »McCafé«-Bereiche, mit Espressogetränken, Bagels und Lounge-Mobiliar aus Holz und Leder, auf die der Konzern seine Hoffnungen setzt.

Der Erfolg von »Starbucks« beruht auf dem Kunststück, gleichzeitig eine normierte, global expandierende Marke zu sein und jeder Filiale die Aura von alter Kaffeehaus-Kultur zu verleihen, von Heimeligkeit und Geist. Wichtiger Bestandteil dieser Strategie ist ein Kult des Ursprungs, der sich durch die ganze Ausstattung der Filialen zieht: von den Bildern ländlicher Kaffeeröstereien bis zu den präzisen Herkunftsbezeichnungen der Espressosorten. McDonald’s imitiert dieses Konzept und hat seine Lokale in ästhetischer und ideologischer Hinsicht »starbuckisiert«. Die Vorsilbe »Mc« wird in Zukunft vielleicht nur noch als Metapher aus einer fernen Zeit überleben, in Bezeichnungen wie »McJobs« oder »McFit«. Das Original hat sich einstweilen in einen Schauplatz der Langsamkeit und Kontemplation verwandelt.