Caroline Link
über Regiestühle
»An sich ist der Regiestuhl unwichtig. Dass er im deutschen Film gelegentlich bei Dreharbeiten auftaucht, ist eine nicht ganz ernst zu nehmende Anlehnung an Hollywoodrituale. Trotzdem habe ich mich geehrt gefühlt, als ich von den Bavaria Filmstudios immer Regiestühle bekommen habe, auf denen mein Name stand. Am längsten sitze ich auf einem Regiestuhl, wenn ich auf die Technik warte, während einer Szene halte ich es höchstens eine Minute darauf aus und dann sitze ich meistens nur halb auf der Vorderkante, damit ich schnell aufspringen kann. Ausgeleierte Regiestühle sind eine Qual, da sackt man viel zu tief ein. Der ideale Regiestuhl ist ein straff gespannter, nicht zu bequemer Campingstuhl. Er soll der wesentlichen Nähe zu meinen Schauspielern eben nicht im Weg stehen. Komfort brauche ich am Set nicht. Bei meinem letzten Dreh für Exit Marrakech habe ich mich mit meinem Team auf die Rückbank eines Autos gezwängt, um ganz nah an der Szene zu sein. Das ist viel spannender, als allein komfortabel hinterherzufahren.«
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Bischof Franz-Josef Bode
über Beichtstühle
»Viele barocke Beichtstühle werden in Kunstgeschichtsbüchern zu Meis-terwerken erklärt, weil sie mit aufwendigen Schnitzereien verziert sind - aber die Beichtenden verstören die einschüchternden Inschriften wie ›Bekenne oder brenne‹. Deshalb werden bei Kirchenrenovierungen alte, angsteinflößende, einengende Beichtstühle umgebaut, um einladender auf die Beichtenden zu wirken. Ein Mensch bekennt seine Schuld eben am ehesten, wenn er sich in seiner Umgebung wohlfühlt. Deshalb trauen sich die meisten nur gegenüber ihrer Familie und engen Freunden, Fehlerzuzugeben. Bei der Beichte benötigt man einen Ersatz für die menschliche Nähe, deswegen darf ein Beichtstuhl nicht imposant sein, er muss eine Leichtigkeit und eine gediegene Schlichtheit verkörpern. Trotzdem beichten gerade junge Menschen heute lieber im persönlichen Gespräch in einem Beichtraum oder am Rande von Kirchentagen.«
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Marlene Streeruwitz
über Stühle für Schriftsteller
»Der beige Samtbezug ist eingerissen und die Sitzfläche abgenutzt, aber mein Thonet-Sessel aus den Siebzigerjahren wackelt nicht und ermöglicht mir ein freies Sitzen. Von Zeit zu Zeit habe ich den Impuls, mir einen neuen Arbeitssessel zu kaufen, aber ich bringe nie die nötige Energie dafür auf.Ich muss nicht mein Umfeld wechseln, um inspiriert zu sein. Denn meine Wahrheit über die Welt, über die ich schreibe, entfernt sich sehr von meiner unmittelbaren Umgebung. Deshalb benötige ich beim Schreiben einen fixen Stuhl,auf dem ich mich nicht zur Seite drehen oder rollen kann,sondern verankert bin. So kann ich dafür in meinen Gedanken und Entwürfen umherrutschen. Ich habe einmal versucht, auf einem Stehpult zu schreiben, doch das war mir zu unruhig. Beim Schreiben bin ich so sehr in meinen Text vertieft, dass ich nicht einmal sagen kann, welche Sitzposition ich bei meiner Arbeit einnehme, ich denke, ich sitze sehr aufrecht, fast starr. Da war der Kniesessel aus den Achtzigern, auf dem ich eine Zeit lang saß, sicher gesünder.«
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Charles Schumann
über Barstühle
»In meiner alten Bar hatte ich Thonet-Stühle, heute sind meine Barhocker schlichter, leichter, stabiler und ihre roten Lederpolster passen zur Einrichtung. Sie haben keine Rückenlehnen, damit man nicht zu bequem und zu lange auf dem Hocker sitzt. Dadurch entsteht ein reger Wechsel an der Theke, und die Atmosphäre der Bar bleibt lebendig. Frauen sitzen auf dem Barhocker, um ihre Umgebung oder den Barkeeper beim Zubereiten der Cocktails zu beobachten. Männer, die sich an eine Bar stellen, wollen flirten. Eine Frau, die dann auf einem Hocker sitzt, kann sich nicht so schnell und elegant dem Flirtversuch eines Mannes entziehen, als wenn sie stehen würde. Im Sitzen ist sie - zumindest für eine Zeit - in der Flirtfalle. Der Barhocker spielt also vor allem balzenden Männern in die Hände. Wenn Frauen diesen Automatismus umgehen wollen, sollten sie sich einfach, wie eine durchtrainierte Amerikanerin vergangene Woche, im Yogasitz auf den Barhocker setzen - da wagt sich keiner ran.«
Sahra Wagenknecht über Talkshowstühle
Sahra Wagenknecht
über Talkshowstühle
»Am gemütlichsten ist die cremefarbene Sofalandschaft bei Sandra Maischberger. Aber in einer Talkshow geht es selten gemütlich zu, und das Sofa mit Kontrahenten zu teilen, erhöht durch die unmittelbare Nähe noch die Anspannung. Es gibt allerdings Stühle, die so unbequem sind, dass man sich doch lieber ein Sofa mit dem Erzfeind teilen würde: Frank Plasbergs Barhocker aus Metall etwa. Für Frauen eine Zumutung, da es mit Rock und Pumps kaum möglich ist, entspannt darauf zu sitzen. Aber Bequemlichkeit ist nicht das einzige Kriterium für einen guten Talkshowsitz: Bei Maybrit Illner sind drehbare Chromstühle um einen Tisch gruppiert, da kann ich mich dem jeweiligen Gesprächspartner zuwenden. Als Frau sollte man im Hinterkopf haben, welche Kleidung in das jeweilige Talkshowinterieur passt – fällt mir meist zu spät ein. Darum saß ich mal mit einem roten Kostüm in der roten Kulisse bei Günther Jauch im Studio.«
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Nico Rosberg
über Rennsitze
»Formel-1-Wagen haben natürlich keine Standardsitze. Mein Sitz wird mir angegossen: Ich sitze in einem Riesensack, der mit Schaum gefüllt wird. Der Schaum passt sich meinem Körper an und wird hart – danach komme ich kaum mehr aus dem Sack. Mein Körperabdruck wird mit dem Hammer nachbearbeitet, geschliffen und geschnitten. Wenn alles passt, wird daraus eine Karbonform angefertigt. Der ganze Sitz wiegt eineinhalb Kilo, den kann ich mit einem Finger hochheben. Formel-1-Rennwagen sind eng, aber die Sitze sind wirklich bequem, man liegt mehr, als dass man sitzt: Die Beine lagern hoch und der Fahrer sitzt so tief, dass er gerade so sieht, wo er hinfährt, zumindest auf der Ebene oder bergab. Geht es bergauf, fahre ich aus der Erinnerung, die Strecke sehe ich nicht. Ich mag meinen Rennsitz, aber mein privater Autositz hat einen großen Vorteil: eine Rückenkühlung. Also ein Gebläse in der Rückenlehne. Das ist super, ich schwitze nämlich beim Autofahren.«
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Dirk Niebel
über Flugzeugsitze
»Auf einem Flugzeugsitz will ich vier Sachen tun können: Akten bearbeiten, eine Besprechung durchführen, essen und mich ausruhen. Am liebsten sitze ich am Gang, möglichst weit vorn - das ist bei Anschlussflügen praktisch. Wenn man nach einem zehnstündigen Nachtflug direkt Termine mit wichtigen Politikern wahrnehmen und abends im Hotel noch Journalisten treffen muss, schenkt einem ein Businessclass-Flug mehr Kräfte. Privat fliege ich auch Economy, obwohl bei manchen Fluglinien schon als Normalgroßer die Schmerzgrenze zum Viehtransport erreicht ist. Mein Vorteil: Als Minister schleppe ich ein konstantes Schlafdefizit mit mir herum und kann überall einschlafen.«
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Rolf Seelmann-Eggebert
über Throne
»Wird Prinz William Thronfolger, muss er schon bei der fünfstündigen Krönungszeremonie den ersten Härtetest überstehen: Er sitzt auf dem ›St. Edward’s Chair‹ auf einem Krönungsstein, den Edward I. einst von den Schotten erobert hat. Historische Throne sind sehr unbequem, heutzutage werden für jeden Regenten neue entworfen - die Queen hat mehr als zehn. Unser Wilhelm II. saß auf seinem Schloss auf einem Sattel an seinem Arbeitstisch, seine Urenkelin Sofía und Juan Carlos von Spanien haben Porträtfotos an den jeweiligen Thronen, gegen Gedächtnislücken. Gerüchten zufolge haben die niederländischen Königskinder goldene Spielzeugthrone im Kinderzimmer - zum Üben.«
(Fotos: imago, Mercedes Benz, dpa, Getty, NDR; Protokolle: Marc Baumann, Marie Gamillecheg, Laetitia Grevers; Michael Neudecker)
Foto: Greg Miller