Im Februar 2005 bekam Yves Béhar einen Anruf vom Media Lab des Massachusetts Institute of Technology: Béhar solle für das Projekt »One Laptop per Child« einen tragbaren Computer entwerfen, der die Hitze der Wüste, die Feuchtigkeit des Dschungels, die Kälte des ewigen Eises aushält. Ein Gerät, das Kinder jedes Kulturkreises intuitiv bedienen können und das auch mal aus Schulterhöhe auf den Fußboden fallen kann.
Weil der Rechner millionenfach an die Regierungen unterentwickelter Länder verkauft werden sollte, durfte er nicht mehr als hundert Dollar kosten. Ein ambitioniertes Projekt, das mehr Zeit in Anspruch nahm als ursprünglich erwartet.
»Alle Vorgaben haben wir erfüllt«, sagt Béhar, »bis auf den Preis.« Explodierende Rohstoffkosten und der schwache Dollar verhinderten diesen Erfolg – nun kostet das Gerät um die 180 Dollar oder 120 Euro. Immerhin 700 000 Bestellungen aus Peru und der Mongolei, Mexiko und China sind bereits eingegangen – die Produktion startete im Januar.
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Béhar begann die anspruchsvollste Aufgabe seiner Karriere mit einigen nächtlichen Meetings. Eine Handvoll Mitarbeiter seines Büros Fuseproject in San Francisco analysierten die dreißig abgelehnten Entwürfe von anderen Studios, die beim MIT bereits eingegangen waren. »Zu viele lose Teile, die Dinger sahen aus wie gewöhnliche Rechner, die jemand für Kinder angemalt hatte.« Das fertige Produkt Béhars dagegen wirkt wie ein windschlüpfrig geformter Koffer. An den Seiten stabile Griffe, in denen Antennen untergebracht sind, die eine Reichweite von fast einem Kilometer besitzen – das MIT will mit den Computern ganze Dorfgemeinschaften vernetzen und, wo es möglich ist, ans Internet anschließen.
Béhars Team, das sonst für Nike, BMW oder Herman Miller arbeitet, befragte potenzielle Kunden in Brasilien, Afghanistan, Nigeria: Was wollen die Kinder in eurem Land? Kolumbianer wünschten sich größere Bildschirme, die Thailänder solidere Tastaturen. »Durch unser Modulsystem können wir ohne großen Aufwand 400 verschiedene Modelle produzieren – die Äthiopier etwa bekommen erstmals eine Tastatur mit den Buchstaben ihrer Sprache.« Das Innenleben der Laptops besteht aus den modernsten Komponenten, die erst in einigen Jahren in gewöhnlichen Computern auftauchen werden. Batterien, die leichter und leistungsfähiger sind, weil sie aus einem neuartigen Nickel-Gemisch bestehen, oder ein Bildschirm, der mit einem vom MIT entwickelten Gel betrieben wird. Wer keinen Strom im Dorf hat, kann den Computer mit Kurbel betreiben – für sonnige Regionen gibt es eine Version mit Solarzellen.
Das Media Lab kündigte an, mindestens fünf Millionen Exemplare verkaufen zu wollen – die Verhandlungen laufen aussichtsreich. Ist es Béhar gelungen, einen Designklassiker zu schaffen? »Das kann ich nicht sagen. Aber so viel ist klar: Normalerweise arbeiten wir unter Ausschluss der Öffentlichkeit, und wenn wir scheitern, bekommt es niemand mit. Diesmal, bei all der Aufmerksamkeit, wäre es richtig peinlich geworden, wenn wir keinen brauchbaren Computer geschaffen hätten.«
Yves Béhar, 40, gründete 1999 das Designstudio Fuseproject in San Francisco. Er entwirft Produkte, Mode, Grafik und Strategien für Kunden wie Mini, Nike, IFF, Hewlett Packard und Bisazza.
Aktuelles Projekt: Ein Notebook für »One Laptop per Child«, eine internationale Initiative, die Kinder in Entwicklungsländern mit billigen Computern ausstatten will.