Die Frage, ob man unterschiedlichen Reichtum aus ethischer Sicht ausgleichen darf, soll oder gar muss, ist eine der spannendsten und wichtigsten ethischen Diskussionen unserer Zeit. In der Sozialphilosophie stehen sich dabei zwei Standpunkte gegenüber: Egalitarismus und Non-Egalitarismus.Der Egalitarismus fordert gleich viel für alle Menschen – eine einleuchtende Forderung. Alle unverschuldet erlangten Vor- und Nachteile des Lebens sollte eine gerechte Gesellschaft ausgleichen wie eine riesige Versicherung gegen reines Pech. Die Debatte konzentriert sich dabei auf die »Equality of-What«-Frage: Wovon gleich viel? Von Ressourcen, Chancen, Rechten, Vermögen oder gar Wohlergehen? Dann aber gehen die Probleme los: Was, wenn nun jemand partout nicht anders glücklich werden kann als beim Surfen auf Hawaii? Wenn er für seine besondere Veranlagung nichts kann und es allen gleich gut gehen soll, müssen ihm dann nicht jene, die am Fließband zufrieden sind, sein Leben am Strand bezahlen? Oder ein Herrscher, der alle Untertanen in siedendes Öl werfen lässt und am Ende selbst hineinspringt. Ist das ein guter Herrscher, weil er alle gleich behandelt?Das brachte die Non-Egalitaristen dazu, das Prinzip Gleichheit als Voraussetzung der Gerechtigkeit grundsätzlich in Frage zu stellen: Warum sollte, was einem Menschen aus moralischer Sicht zusteht, davon abhängen, wie viel ein anderer hat? Einem Verhungernden zu Essen zu geben, sei doch moralisch geboten, egal ob der Nachbar gerade Kaviar löffelt. Die Kritik geht weiter: Um für einen gerechten Ausgleich zu sorgen, muss man notwendig zwischen verschuldetem und unverschuldetem Pech unterscheiden. Wer arm ist, weil er sein Vermögen verprasst hat, kann von der Gesellschaft nicht dauernd nachfordern. Aber muss er dann unter der Brücke bleiben? Muss der Raucher seine Lungenbehandlung selbst bezahlen und krank bleiben, wenn er kein Geld hat? Oder ist er nur Opfer einer Sucht? Die Unterscheidung sei kaum machbar, sagen die Egalitarismus-Kritiker, und dem, der selbst schuld ist, nichts zu geben, sei schlicht inhuman. Der Versuch, alles auszugleichen, führe am Ende nur zu einer »Angleichung nach unten«. Zu gewährleisten sei weniger Gleichheit, sondern vielmehr, so etwa die Basler Philosophin Angelika Krebs, dass niemand unter elenden Umständen leben müsse. Jeder müsse Zugang haben etwa zu Nahrung, Obdach, Sicherheit, medizinischer Grundversorgung, sozialer Zugehörigkeit und privater wie politischer Autonomie. Dann sei nicht mehr entscheidend, ob ein anderer mehr hat.Man spricht oft davon, wie viel vom Kuchen jeder abbekommen soll, und im Endeffekt geht es wirklich um die Torte am Kindergeburtstag: Muss jedes Kind ein gleich großes Stück bekommen oder kann es sogar gerechter sein, wenn manche mehr bekommen? Zum Beispiel das Geburtstagskind? Das Kind mit dem meisten Hunger oder das, welches beim Backen geholfen hat? Das, welches sonst immer Pech hat, oder das, dessen Eltern die Torte bezahlt haben?Der Streit kann hier ungelöst bleiben, denn selbst für Nicht-Egalitaristen ist Friedmans Aussage in dieser Kürze nicht haltbar – auch unter seiner Einschränkung, das Geld müsse ehrlich verdient sein. Jenseits aller Gleichmacherei: Wenn der Arme nicht mehr menschenwürdig leben kann, muss ihm der Reiche etwas abgeben. Und den Friedensnobelpreis würde Friedman für diese Provokation sowieso nicht verdienen. Haben Sie auch eine Gewissensfrage? Dann schreiben Sie an Dr. Dr. Rainer Erlinger, SZ-Magazin, Rindermarkt 5, 80331 München oder an gewissensfrage@sz-magazin.de.
Die Gewissensfrage
»Der Nobelpreisträger Milton Friedman sagte im ›SZ-Magazin‹ Nr. 25: ›Es ist unmoralisch, Geld von den Reichen zu nehmen, um es den Armen zu geben.‹ Das ist doch falsch, oder?« KLAUS W., AACHEN