Sie kaufen auf einem öffentlichen Markt öffentlich angebotene Filme, also Objekte, deren Zweck die Vorführung ist. Und nun überlegen Sie, ob es in Ordnung ist, diese – nicht einmal kommerziell, sondern im Rahmen eines Kunstprojektes – vorzuführen. Und meine Antwort lautet: Nein.
Warum? Den ersten wunden Punkt haben Sie selbst in Ihrer Frage aufgezeigt: »wohl nie für das Auge eines Fremden bestimmt«. Die Diskussion um die Verwertung von persönlichen Daten in der Kunst kennt man vor allem von Romanen. Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht haben sich damit mannigfach beschäftigt und versucht, eine Abwägung zu finden. Im Zentrum stehen Privatheit, Intimität und Selbstbestimmung sowie die Überlegung, wie weit diese wertvollen Güter in der ebenso wertvollen Freiheit der Kunst ihre Schranken finden – bei privaten Nacktfilmen eher problematisch. Hier aber geht es einen Schritt weiter. Bei der Verarbeitung von Biografien in Literatur und sonstigen Kunstformen wird der jeweilige Mensch durch seine Biografie als Individuum geachtet, auch wenn es gegen seinen Willen geschieht, und steht als Person im Fokus der Kunst. Das aber ist bei Ihrem Projekt nicht der Fall. Wenn Sie anonyme Filme auf Flohmärkten oder im Internet ankaufen und verwenden, zeigen Sie, dass es Ihnen gerade nicht um die Personen als Individuen geht, sondern die Abgebildeten als beliebig austauschbares Material für Ihre Zwecke dienen. Ohne es zu wissen, werden sie zum Mittel gemacht und buchstäblich vorgeführt.
Ich habe generell ein Problem damit, wenn allzu persönliche Dinge auf Flohmärkte gelangen, meist über Haushaltsauflösungen und damit ohne Wissen und Wollen der früheren Besitzer. Ein Teil von deren Leben wird damit wohlfeil und die Person selbst zur Ware, zum Objekt. Noch mehr gilt das, wenn es um Intimes geht und das auch noch öffentlich gezeigt werden soll.
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