Die Gewissensfrage

"Mein relativ neuer weißer Baumwollteppich im Bad muss gewaschen werden. Für eine Waschmaschine ist er zu groß, also brachte ich ihn zur Teppichwäscherei, wo ich 23,50 Euro bezahlen sollte. Der Teppich hat aber nur 16,50 Euro gekostet! Nun werfe ich ungern Dinge weg und bin durchaus umweltbewusst , aber wenn eine simple Wäsche die Anschaffungskosten übersteigt, komme ich schon ins Nachdenken." Adam R. Bad Aibling

Hoffentlich bekomme ich jetzt nicht Ärger mit dem Teppichverkäufer oder dem Verband der Badezimmerteppichhersteller, aber meines Erachtens beginnt Ihr Problem bei der Auswahl des Produkts: Badezimmer gehören zu den Feuchträumen und sind meist auch gut temperiert. Unter mikrobiologischen Gesichtspunkten ein ideales Klima für das Wachstum aller möglichen Kleinstlebewesen wie Bakterien etc. Deshalb halte ich einen Teppich, der so groß ist, dass man ihn nicht regelmäßig waschen kann, für fehl am Platze. Würden Sie sich ein Handtuch kaufen, das zu groß ist, um es zu waschen, und dann so lange benutzen, bis es unansehnlich wird? Warum dann einen Teppich, auf dem sie täglich mit blanken nassen Füßen stehen?

Nun haben Sie das Ding aber schon und für die Gewissenshygiene stellt sich die Frage, ob Sie es zum Dekontaminieren in eine Spezialanstalt bringen oder direkt zum Verbrennen oder Kompostieren. Die Ökonomie spricht für das Entsorgen, die Ökologie dagegen. Sehr sogar. Obwohl »Baumwolle« als Begriff nach grüner Natur klingt, ist sie – konventionell angebaut – ein problematischer Stoff. Umweltverbänden zufolge wird ein Viertel aller Insektizide weltweit für die Baumwollproduktion eingesetzt. Für das Material eines T-Shirts benötigt man kaum glaubliche 150 Gramm Gift und 2000 Liter Wasser. Das hochgerechnet, hat Ihr wäschetrommelsprengender Teppich halbe Landstriche verwüstet, und Sie kommen gar nicht mehr darum herum, ihn säubern zu lassen und nicht laufend neue zu kaufen. Man kann überlegen, ob der Teppich nicht einfach zu billig ist, weil er die Umweltkosten außer Acht lässt – von den Lebensbedingungen der Farmarbeiter ganz zu schweigen. Aber auf jeden Fall rechtfertigt – und da kommen wir jetzt zur moralischen Abwägung – Ihre persönliche Einsparung von ein paar Euro nicht die damit verbundene Belastung der Umwelt.

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Wenn Sie sich für dieses Thema interessieren, können sie hier weiterlesen:

Kirsten Brodde, Saubere Sachen: Wie man grüne Mode findet und sich vor Öko-Etikettenschwindel schützt, Ludwig Buchverlag 2009

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Alexandra Baum, Kirsten Brodde, Textil-Fibel 3, Greenpeace Media 2009

Illustration: Marc Herold