»Als ich nach einem Fahrradunfall ins Krankenhaus musste, kümmerte sich eine nette junge Frau um mein Fahrrad. Aus Dank bot ich an, sie zu fotografieren, falls sie mal professionelle Fotos braucht, weil das mein Beruf ist. Ein paar Monate später kam sie auf mein Angebot zurück und sagte, nicht sie, sondern eine Mitbewohnerin benötige dringend Bewerbungsfotos. Kann man einen Gefallen einfach so weiterreichen?« Kurt S., Berlin
Ihre Frage liest sich wie eine schöne Geschichte von Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit – bis leider gegen Ende eine Verstimmung auftaucht, die man nachvollziehen kann. Ich glaube, wenn man versucht, diesen Stimmungsumschwung zu ergründen, landet man auch bei der Antwort.
Das Schöne an der Geschichte ist, dass sowohl die Hilfsbereitschaft als auch Ihre Dankbarkeit etwas Selbstloses und vor allem etwas nicht Berechnendes an sich haben. Die Dame hat sich einfach so um Ihr liegen gebliebenes Fahrrad gekümmert, Sie haben ihr dafür einen Gefallen versprochen, der zwar aus Ihrem beruflichen Bereich kommt, aber persönlich gedacht war. Hier stutzt man allerdings ein erstes Mal: In dieser kleinen Vermengung aus Geschäft und privat könnte schon eine der Wurzeln des Problems liegen. Doch zurück zum Gefallen. Jeder kennt das Phänomen, dass derartige Versprechen sehr schön sind, man sie aber häufig nie einlöst. Da ist es sinnvoll, wenn man sie weitergeben kann. Und hier speziell kommt noch hinzu, dass die Dame offenbar gerne hilft, erst Ihnen, nun ihrer Mitbewohnerin; die Selbstlosigkeit bleibt wie ein Grundton erhalten, was ebenfalls für die Weitergabe spricht.
Jedoch, auch wenn es Ihr Beruf ist, Sie das sonst als Leistung gegen Geld auf dem Markt anbieten, war der fotografische Gefallen kein Einkaufsgutschein mit einem bestimmten Wert, sondern primär Ausdruck der Dankbarkeit und persönlichen Wertschätzung. Und im Falle eines Porträtfotos ist er auch selbst wiederum etwas durchaus Persönliches. Das aber entfällt alles bei einer Weitergabe, der Gefallen wird zu etwas Übertragbaren, einer Art Ware, fast im Sinne einer Kommodifizierung. Das aber entwertet die persönliche Komponente, die für den schönen Teil der Geschichte steht. Deshalb sehe ich die Weitergabe hier als unglücklich an.
Leseempfehlungen:
Zur Kommodifizierung lesenswert sind zwei Aufsätze des leider früh verstorbenen Berliner Soziologen Georg Elwert:
Georg Elwert, Märkte, Käuflichkeit und Moralökonomie, Soziologie und gesellschaftliche Entwicklung. Verhandlungen des 22. Deutschen Soziologentages in Dortmund 1984, Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Soziologie von Burkhart Lutz, Campus Verlag, Frankfurt am Main 1985, S. 509-519
Georg Elwert, Ausdehnung der Käuflichkeit und Einbettung der Wirtschaft. Markt und Moralökonomie, in: Klaus Heinemann (Hrsg.), Soziologie wirtschaftlichen Handelns, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialsychologie, Sonderheft 28/1987, S. 300-321
Illustration: Serge Bloch