O – Obazda

Was trägt Bayern bei zum Kulturerbe der Welt? Na gut, da sind die Wieskirche und die Würzburger Residenz, aber was wirklich zählt, sind ja wohl die Biergärten – vor allem die großen Brauereibiergärten in und um München. Ich brauche Ihnen das nicht näher zu beschreiben, die Atmosphäre ist großartig, auch die Geschichte mit den kühlenden Kastanien über den Bierkellern ist großartig, es ist überhaupt alles großartig im Biergarten – außer der Küche. Es gibt zwar immer wieder Geheimtipps, die angeblich besten Spareribs betreffend, allein ich habe noch nie gute gefunden. Steckerlfische, also Makrelen am Spieß, sind oft ganz gut, aber das war’s dann.
Warum ist das so? Untersuchen wir das Problem an einem Beispiel, dem »Obazdn«. Der Name leitet sich von der Herstellung ab: »Obazn« heißt »anrühren, anmachen«, wobei »Baz« – weiche Masse – auf die Konsistenz der Käsecreme verweist.

Obazda ist ein einfaches Gericht: Ein aufrechter Bayer entrindet reifen Camembert, vermischt den Käse mit ein wenig Butter, einer fein geschnittenen Zwiebel. Pfeffer, Salz und Paprika geben die nötige Würze und ein paar Löffel Bier oder Milch machen den Käse cremig. Schnittlauch drüber und Brot dazu – fertig. Klingt doch einfach genug. Aber: Guter, gereifter Käse kostet Geld. Mehr Fett stattdessen, Butter oder Quark, ist viel billiger. Das sorgfältige Entfernen der Käserinde kostet Zeit. Mancher Obazde wird sogar mit Stickstoff aufgeschäumt, um mehr Masse vorzutäuschen. Der Schnittlauch trocknet auf der exakt portionierten Käsehalbkugel vor sich hin, bis ein argloser Biergartenbesucher die Creme auf sein Tablett packt. Kapitalismuskritisch könnten wir annehmen, dass der Biergartenwirt so sehr von seiner Arbeit entfremdet ist, dass für ihn nichts mehr zählt – als das Klingeln in seiner Kasse. Etwas milder gestimmt, könnten wir vermuten, dass Biergärten sehr groß, wetterabhängig und darum schwer zu organisieren sind. Wären wir Unternehmensberater, würden wir ganz nüchtern feststellen, dass die Essenszubereitung nicht zu den Kernkompetenzen eines Biergartens gehört, die nämlich heißt: Bier kühlen und ausschenken. Und dass darum der Küchenbereich outgesourct werden muss – und zwar an uns, die Gäste –, so wie es eigentlich schon immer war.

OBAZDA UND SCHNELLER STEAK-SALAT FÜR DEN BIERGARTEN
250 g reifen Camembert entrinden, mit 50 g Butter und einer fein geschnittenen Zwiebel vermischen. Pfeffer, Salz, Paprika und einige EL Bier oder Milch unterrühren, Schnittlauch darüber geben. Dann 250 g schweres Rinderrückensteak 2–3 Minuten von jeder Seite anbraten – das ist noch ziemlich roh. Bereiten Sie auch die Sauce vor: 1 EL Zitronensaft mit Salz, Pfeffer, 1 Prise Kümmel, 1 TL süssem Senf und je 2 EL Kürbiskernöl und Sonnenblumenöl verquirlen. 1 kleinen scharfen Rettich, 1 Bund Koriander, 1/2 Rispe frischen grünen Pfeffer (falls vorhanden), 1 Messer und 1 Schneidebrettchen mit in den Picknickkorb packen und ab in den Biergarten. Dort hat das Fleisch dann genug geruht: Schneiden Sie es leicht schräg in dünne
Streifen, den ausgetretenen Fleischsaft geben Sie mit in die Sauce. Den Rettich schälen, längs vierteln und in dünne Scheiben schneiden, Koriander und Pfefferkörner grob hacken. Fleisch, Rettich und Gewürze mit der Sauce mischen.