Genderneutrales Trinken

Weißweinschorle für die Dame, Weißbier für den Herrn – angeblich typische Frauen- und Männerdrinks. Aber stimmt das wirklich? Unser Autor hat ein paar Leute gefragt, die es wissen müssen.

Foto: Maurizio Di Iorio

Ich saß in einer Bar, vor mir ein rötlich schimmernder Cosmopolitan, als mich ein Bekannter entdeckte. Weil wir uns nicht wirklich was zu sagen hatten, war klar, was kommen würde: »Oha, ein Frauen­drink?! Na ja, warum eigentlich
nicht?«

Ich wusste, was er meint, in Sex and the City wird praktisch nichts anderes getrunken. Aber: Was soll das sein, ein Frauendrink? Gibt es das überhaupt? Und wenn ja, womit hat es zu ­­tun – mit der Farbe, dem Glas, dem Geschmack? Ein Cosmopolitan zum Beispiel hat durchaus herbe Noten. Und James Bond trinkt seinen Martini ganz selbstverständlich aus einer Cocktail­schale. Umgekehrt finde ich Frauen – also elegante, nicht solche mit ausgelatschten Chucks – umwerfend erotisch, wenn sie mit einem Bier am Tresen sitzen, am besten ohne Handy in der Hand, sondern selbstbewusst, selbstvergessen und ohne auf jemanden zu warten. Warum ist das so? Weil Bier ein eher männliches Getränk ist? Weil ich den Bruch mit der Konvention an­ziehend finde?

Ziemlich sicher werden ­manche Getränke lieber von Frauen (Aperol Spritz, Hugo, Weißweinschorle) oder Männern (Whisky, Weißbier, Goaßmaß) getrunken – hat vielleicht mit dem Alkoholgehalt zu tun; Männer vertragen einfach mehr –, aber ist Aperol Spritz deswegen ein Frauen- und Whisky ein Männergetränk? Eine heikle Frage in einer Zeit, in der Geschlechter-Stereotype infrage gestellt werden. Ganz ehrlich, ich verstehe den Kampf, aber nicht jedes Gefecht. Manche  Revisionen erscheinen mir sinnvoll, andere grob wirklichkeitsverzerrend. Und gerade weil ich finde, dass jeder Mensch trinken soll, was er will, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, dachte ich mir: Okay, frage ich halt ein paar Menschen, die sich auskennen mit Drinks und mit Menschen, ob es so was wie einen Frauendrink gibt oder geben sollte, und wenn ja, welcher das sinnvollerweise sein könnte.

Meistgelesen diese Woche:

Joerg Meyer, Chef der Bar »Le Lion« in Hamburg, sagt: »Nein, es gibt keine Frauendrinks. Saufen ist und war schon immer gender­neutral. Alle anderen Beobachtungen zeugen von kleinem Geist und zu wenig Zeit in guten Bars.« Christian Heiss, Barchef in der legendären Züricher »Kronenhalle« erzählt, dass das Thema oft von Gästen angesprochen ­werde. Beispielsweise erkundigten sich Männer in Abwesenheit ihrer Begleiterin immer wieder nach einem typischen Frauendrink. Er empfehle dann, auf die Begleitung zu ­warten und sie selbst entscheiden zu lassen. »Das Klischee, dass Frauen anders trinken als Männer, gibt es für mich schon lange nicht mehr«, sagt Heiss, im Gegenteil, Frauen tränken zunehmend kräftigere Drinks.

Laura Maria Marsueschke von der Berliner »Thelonious Bar« sagt: »Frauendrinks? Gibt es nicht für mich und in meiner Bar auch nicht.« Trotzdem sei es vielen Männern immer noch wichtig, ­ihren Drink nicht in einem »Mädchenglas« und, um Gottes willen, nichts Rosafarbenes serviert zu bekommen. Und Bettina Kupsa, die Wirtin des »The Chug Club« in Hamburg, findet: »Frauendrinks? Gibt es. Aber halt nur in den Köpfen von Menschen, die damit sozialisiert wurden, dass der Papa nach der Arbeit ein Bier und die Mama ein Sektchen gekriegt haben.« Sie würde den Begriff nicht verwenden. »Weil er uns nicht weiterbringt«. Stattdessen versuche sie, Drinks über die Aromatik zu beschreiben, nicht über Geschlechterklischees. Nicht bei allem, was rot sei, handle es sich um eine klebrige Pampe. Sie mache die Er­fahrung, dass sich immer mehr ­Gäste an neue Drinks »rantränken«, dass sich die Geschmäcker ­verfeinerten, dass mündiger getrunken werde, mit echter Neugierde auf das, was da vor einem im Glas schwimmt.

Frage beantwortet, oder? Und wenn ich meinen Bekannten das nächste Mal treffe, werde ich ihm was zu ­sagen haben.