»Ein Freund meines Sohnes aus der vierten Klasse hat mir erzählt, wie er es geschafft hat, mit dem Fingernägelkauen aufzuhören: Sein Vater habe ihn so geschlagen, dass er es jetzt nicht mehr tut. Ich habe ihm gesagt, dass das verboten ist. Seine Antwort: ›Ich weiß, aber meine Eltern kommen aus Indien, bei uns ist das normal.‹ Wie soll ich reagieren?« Andreas U., München
Ich habe das Jugendamt München nach einer Einschätzung gefragt. Klare Antwort: Melden Sie es! Selbst wenn es so sein sollte, dass das Ganze nur so dahingesagt war, was man dem Jungen natürlich wünscht, ist es doch besser, auf Nummer sicher zu gehen und die Erziehungsmethoden seiner Familie zu überprüfen. In Deutschland ist es seit dem Jahr 2000 gesetzlich verboten, Kinder zu schlagen, Bürgerliches Gesetzbuch § 1631, Absatz 2: »Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.« Das gilt übrigens auch für alles, was man früher so flapsig als »Hand ausrutschen« bezeichnet hat, also auch für Ohrfeigen oder einen sogenannten Klaps. Die Jugendämter sind darauf angewiesen, dass Menschen aus der Umgebung der Kinder, denen möglicherweise etwas angetan wird, das melden. Nur so können sie tätig werden. Jede Meldung wird ernst genommen. Nicht jede zieht natürlich eine Strafe oder Konsequenz nach sich, das hängt immer von der jeweiligen Situation ab, aber es ist auf jeden Fall richtig, im Zweifel im Sinne des Kindes zu agieren. Beratungsstellen oder Jugendämter sind richtige Stellen für die Meldung, in München ist es das für den Wohnort des Kindes zuständige Sozialbürgerhaus (außerhalb der Öffnungszeiten die Polizei). Eine Meldung kann persönlich, brieflich, telefonisch, per Fax oder Mail erfolgen. Die meldende Person kann anonym bleiben. Aus Gründen des Datenschutzes wird sie so oder so nicht darüber informiert werden, wie die Sache weitergeht. Stellt sich heraus, dass an dem gemeldeten Fall nichts dran war, hat das für die meldende Person keine Konsequenzen. Ob die Familie des Jungen aus Indien kommt oder nicht, ist irrelevant. Auch für Menschen, die aus anderen Kulturkreisen nach Deutschland zogen, gilt in Deutschland deutsches Recht.