Andenken mit Hakenkreuz

Ein Leser würde gerne ein gezeichnetes Porträt seines Großvaters aufhängen, der im Zweiten Weltkrieg fiel. Allerdings sind auf der Militärmütze nationalsozialistische Symbole zu sehen. Was tun?

Illustration: Serge Bloch

»Meine Großmutter ist vor einigen Wochen gestorben. In ihrer Wohnung hingen zwei gezeichnete Porträts meines Großvaters, der im Zweiten Weltkrieg fiel, ein ziviles und eins mit militärischer Schirmmütze. Nun habe ich Letzteres geerbt. Auf der Mütze sind Reichsadler und Hakenkreuz, wenngleich nur angedeutet. Ich möchte das Porträt aufhängen, weil es eine Erinnerung an meine Großmutter und ihre Wohnung ist. Andererseits möchte ich ungern ein Hakenkreuz in der Wohnung haben. Abkleben kommt aus ästhetischen Gründen nicht in Frage.« Georg G., Lübeck

Ich fasse zusammen: Aus inhaltlichen Gründen kommt das Hakenkreuz nicht in Frage, aus ästhetischen das Abkleben desselben nicht. Mist. Das wäre nämlich mein Vorschlag gewesen, aber dann kam ich zu Ihrem letzten Satz. Eine sogenannte Zwickmühle, der Sie scheinbar nur entkommen können, indem Sie das Bild, das Sie gerne aufhängen möchten, nicht aufhängen. Es gibt also keine Lösung.

Lassen Sie mich deshalb noch einmal nachfragen, ob Sie nicht eventuell doch einen ästhetischen Kompromiss eingehen würden. Käme es denn wirklich überhaupt nicht in Frage, die betreffende Stelle mit irgendetwas zu verdecken? Es muss ja keine schreiend bunte Prilblume sein, aber wie wäre es etwa mit einem Foto Ihrer Großmutter, so wären die beiden auch wieder vereint? Nein? Gut, ich habe nur versucht, einen Kompromiss zu finden. Und es einfach liebevoll in einer Schublade aufzubewahren, aus der Sie es jederzeit hervorziehen können, um es anzusehen, geht auch nicht, da Sie es ja aufhängen möchten, obwohl Sie es nicht in der Wohnung hängen haben wollen. Richtig?

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Hier mein Vorschlag zur Güte: Was hielten Sie davon, es an einem Ort zu platzieren, an dem Sie es öfter sehen, es aber nicht offen in Ihrer Wohnung hängt? Sagen wir, innen in einer Schranktür. So hätte der Akt des Erblickens jedes Mal etwas sehr Intimes, wäre eine Sache zwischen Ihnen und dem Bild allein, und Sie selbst wissen ja, wie Sie das Hakenkreuz einordnen, dass Sie es nicht aus ideologischen Gründen da hängen haben, sondern allein aus dem sentimentalen Wert, den das Porträt Ihres jung verstorbenen Großvaters aus dem Nachlass Ihrer Großmutter für Sie hat. Und sollte es mal jemand bei Ihnen sehen, wäre durch den Aufbewahrungsort offensichtlich, dass es zu diesem Bild eine Geschichte gibt. Und die können Sie ja dann erzählen.