»Drei- bis viermal im Jahr besucht uns ein alter Studienfreund meines Mannes. Manchmal mit Familie. Er fährt dafür rund 300 Kilometer mit seinem E-Auto. Gutes Essen, viel Wein, als Gastgeber kommen wir gerne für alles auf. Nur: Am Ende seines Aufenthaltes tankt der Freund sein Auto an unserer Steckdose voll. Mein Mann empfindet das, als würde man einem Gastgeber die Tankquittung zur Erstattung überreichen. Wie sagt man einem Freund, dass man das nicht in Ordnung findet?« Anonym
Es kostet zirka 15 Euro, ein E-Auto für 300 Kilometer aufzuladen. Würde Ihr Freund dafür nicht Ihre Steckdose benutzen, müsste er irgendwo anders eine finden, es wäre also mehr Umstand für ihn, als seinen Stecker einfach bei Ihnen, wo er eben gerade zu Gast ist, einzustecken. Sie schreiben, es sei ein guter Freund. Er kommt bis zu vier Mal im Jahr. Sie bewirten ihn, manchmal sogar auch seine Familie, es gibt gutes Essen, viel Wein. Wollen Sie da ernsthaft beim Strom sparen? Das käme mir vor wie diese Leute, die eh irgendwo mit ihrem Auto hinfahren, von sich aus anbieten, einen mitzunehmen, und dann von einem erwarten, sich an den Benzinkosten zu beteiligen. (»Okay, was meinst du, macht das denn?« – »Ich glaub, 5,50 Euro, aber gib mir einfach fünf, das passt schon.«)
Meines Erachtens wäre es etwas völlig anderes, Ihr Freund würde Ihnen eine Tankquittung zur Erstattung reichen. Das würde ja bedeuten, dass ihm ernsthaft am Sparen gelegen ist beziehungsweise daran, Sie an den fürs gemeinsame Wochenende entstandenen Reisekosten zu beteiligen. Aber er benutzt einfach nur Ihre Steckdose, wie er bei Ihnen schätzungsweise auch sein Handy auflädt. Und Ihr Wasser benutzt, vermutlich sogar Warmwasser. Unter Umständen heizen Sie für ihn sogar das Gästezimmer. Auch dafür beteiligt er sich nicht an den Kosten. Und wenn er es anbieten würde, wären Sie doch zu Recht entrüstet und würden das Angebot selbstverständlich ausschlagen.
Wahrscheinlich denkt Ihr Freund überhaupt nicht an Stromkosten. Wenn Sie auch weiter nette Wochenenden mit ihm zusammen verbringen wollen, sollten auch Sie nicht mehr darüber nachdenken. Ja, er wird wieder sein Auto bei Ihnen aufladen. Stellen Sie sich einfach vor, es wäre eine zusätzliche Flasche Wein, und genießen Sie das Gefühl, großzügige Gastgeber zu sein.