Gleichberechtigt – bis zum ersten Kind

Unsere Leserin bemerkt, dass in ihrem Freundeskreis nur die Frauen lange Elternzeiten nehmen, während die Männer weiter arbeiten. Soll sie sich darüber als Feministin still ärgern – oder etwas sagen? 

Illustration: Serge Bloch

»In meinem Freundeskreis kommt es immer öfter zu Schwangerschaften. Im Hinblick auf die Elternzeit häufen sich dabei ­jedoch auch vermehrt die Gründe, warum es für jedes einzelne Paar einfach sinnvoll ist, dass die Mutter zwölf Monate Elternzeit nimmt, während der Vater sich mit zwei Monaten begnügt. Als Feministin macht es mich wütend, dass Frauen immer noch ihr Licht unter den Scheffel stellen. Es gibt viele Gründe, warum ich eine gleichberechtigte Elternschaft für ­richtig und wichtig halte. Dennoch zögere ich, etwas ­Kritisches zu sagen. Sind die Entscheidungen meiner Freunde privat, oder kann ich dazu etwas äußern?« Silke K., Berlin

Ich glaube, beides ist richtig. Die Entscheidungen Ihrer Freunde sind privat, und Sie können dazu etwas äußern. Schließlich sind es Freunde, und mit wem sonst könnte man sich über die Zumutungen austauschen, die das Leben für uns Menschen bereithält? Laut UNO-Frauenrechtskommission sind wir von der Gleichberechtigung von Männern und Frauen noch etwa 300 Jahre entfernt. In Deutschland nehmen immer mehr Väter Elternzeit, doch liegt ihr Anteil immer noch erst bei 26,1 Prozent – knapp 75 Prozent der Elternzeit nehmen also Mütter. Auch die Länge der Elternzeit unterscheidet sich gravierend: Im Jahr 2022 lag sie bei Frauen durchschnittlich bei 14,6 Monaten – Männer: 3,6 Monate.

Das bedeutet, dass es sich beruflich weiter eher für die Mutter negativ auswirkt, ein Kind zu bekommen, als für den dazugehörenden Vater. Mütter arbeiten nach der Elternzeit auch öfter in Teilzeit als Väter, verdienen also weiter deutlich weniger Geld, was sich dann wieder auf ihre Rente auswirken wird. Und auf die Entscheidung, wer bei einem zweiten oder dritten Kind dann wohl eher zu Hause bleibt. Das ist alles wahnsinnig dumm organisiert. Denn das Land will ja steigende Geburtenzahlen. Aber es gibt nicht einmal genug Kinderbetreuungsplätze, obwohl jedes Kind ab dem Alter von einem Jahr darauf einen Rechtsanspruch hat. Es ist im Grunde völliger Irsinn, ein Kind zu bekommen. Die Kleinfamilie ist mehr oder weniger auf sich allein gestellt, und Alleinerziehende umso mehr.

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Insofern sollten Sie voller Mitgefühl auf Ihre wagemutigen Freundinnen und Freunde blicken, die allen Ernstes dieses Risiko auf sich nehmen. Seien Sie nachsichtig, wenn die Ihrer Meinung nach nicht alles richtig machen. Sie selbst können es ja anders machen. Und mit Ihrer berechtigten Wut auf die Verhältnisse gehen Sie beizeiten wählen.