Sollte sich der Freund an den Reisekosten beteiligen?

Da nimmt man den weiten Weg auf sich, um einen Freund zu treffen, der selbst nie zu Besuch kommt – und dann bleibt man auch noch auf den Kosten sitzen. Kann man um eine Beteiligung bitten?

Illustration: Serge Bloch

»Ein langjähriger guter Freund von mir wohnt in einer weit entfernten Stadt. Ungefähr einmal im Jahr besuche ich ihn dort. Umgekehrt schafft er es nicht zu mir. Aus familiären Gründen kann ich nicht bei ihm übernachten, sondern gehe in ein Gasthaus. Früher hat er mir die Übernachtung bezahlt, in den letzten Jahren zahle ich Fahrt und Gasthaus allein. Ich finde es un­gerecht, dass ich alle Kosten trage, zumal mein Freund nicht schlecht verdient (ich allerdings auch nicht). Darf ich das ansprechen, oder ziemt es sich nicht, unter Freunden um Besuchskosten zu bitten?« Anonym, per Mail

Es gibt ganz unterschiedliche Defini­tionen von Freundschaft. Für Marlene Dietrich waren Freunde, die zählen, diejenigen, die man um vier Uhr nachts anrufen kann. Für Oscar Wilde war ein wahrer Freund jemand, der einen von ­vorne ersticht. Groucho Marx wiederum verstand unter einem guten Freund jemanden, der einen auf Kaution aus dem Gefängnis holt – »ein bester Freund sitzt in der Nachbarzelle und sagt: Verdammt, hat das Spaß gemacht!«. Und die Frage, wozu Freunde überhaupt da sind, beantworteten Rod Stewart, Dionne Warwick und viele andere so: »Keep smiling, keep shining, knowing you can always count on me, for sure. That’s what friends are for.«

Sie scheinen es, was Freundschaft angeht, mit Julio Iglesias zu halten. Der sagte: »Freundschaft ist Treue, und wenn man mich fragen würde, was ist Treue? Dann antwortete ich: Freundschaft!« Jahr um Jahr machen Sie die weite Reise, mit wachsendem Groll. Es spricht nicht viel dafür, dass Ihrem Freund eines Tages von selbst auffallen wird, dass die Besuche Sie eine Stange Geld kosten und es fair wäre, Sie würden sich die Kosten teilen. Aus dieser Kolumne hier weiß ich, dass Freundschaftsbesuche oft Anlass zu Ärger bieten. Ob es nun darum geht, dass Freunde nach einem mehrtägigen Besuch nicht anbieten, sich an den Strom- und Wasserkosten zu beteiligen. Oder dass jemand für Freunde, die aus einer anderen Stadt zu Besuch kommen, das Hotel zahlt – und dann haben die gar keine Zeit. Die Antwort auf alle diese Probleme ist immer dieselbe: Sie müssen es ansprechen. Machen Sie keine große Sache daraus. Ein freundliches »Wollen wir uns meine Reisekosten vielleicht mal teilen?« reicht völlig.

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Und ärgern Sie sich nicht. Wie heißt doch das türkische Sprichwort, das leider stimmt: »Kusursuz dost arayan dostsuz kalır.« Wer einen Freund ohne Fehler sucht, bleibt ohne Freund.