Technik oder Treue

Sollte man seinem Yoga-Studio in der Coronakrise treu bleiben – oder darf man bessere Apps benutzen? Unsere Kolumnistin weiß Rat.

Illustration: Serge Bloch

»Mein geliebtes Yogastudio musste infolge der staat­lichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus schließen und bietet nun Online-Stunden an. Ist es in Ordnung, trotzdem auf eine App zurückzugreifen, die Online-Yoga-Stunden flexibler und mit besserer Bild- und Tonqualität anbietet?« Anonym

In Ihrer Frage sticht für mich ein Wort hervor: geliebt. Mein geliebtes Yogastudio. Sie lieben Ihr Studio, das aufgrund höherer Gewalt schließen musste. Das nichts dafür konnte, schließen zu müssen. Es ist davon auszugehen, dass Sie dieses Studio für die Menschen lieben, die dort arbeiten und deren Qualitäten nicht in erster Linie Tontechnik, Beleuchtung und das Organisieren von Zoom-Videokonferenzen sind, sondern Dinge, die sich online vermutlich gar nicht so gut vermitteln lassen. Sie lieben dieses Studio vielleicht auch für die Atmosphäre, die darin herrscht, wo man gleich beim Hereinkommen denkt, dass es eine gute Entscheidung war, herzukommen. Vielleicht mögen Sie die Art, wie in den Nachmittagsstunden das Licht durch die großen Fenster fällt. Oder den Geruch nach Räucherstäbchen, die Sie sogar mal nachgekauft haben in der Hoffnung, eine Ahnung von fernöstlicher Gelassenheit möge sich auch in Ihrer Wohnung entfalten, doch da hat dieser Zauber irgendwie nicht funktioniert. Vielleicht steht nach dem Unterricht immer Tee für die Schülerinnen und Schüler bereit. Vielleicht gibt es immer frische Blumen. Vielleicht haben Sie in diesem Studio mal einen Ohrring oder Schal verloren, und die riefen Sie ­einen Tag später an, um zu sagen, dass ihn jemand abgegeben hat und sie ihn für Sie aufbewahren.

Klar, es ist natürlich bequemer, sich im Moment mit einer professionellen Yoga-App zu behelfen, wo man jede Anweisung des sexy auf einer Felsklippe balancierenden Lehrers gestochen scharf versteht, aber was für Folgen hat das? Ich jedenfalls möchte nicht in einer Welt leben, in der nur die medienaffinen Vermarktungs­talente noch ihre Jobs haben, und wenn Ihnen das auch so geht, sollten Sie, was Sie vor Corona geliebt haben, während Corona unterstützen, damit Sie die Welt nach Corona nicht hassen müssen.