Rechte Flaschen

Unsere Leserin fragt sich, wie sie sich in einem italienischen Supermarkt verhalten soll, der Hitler-Bier verkauft. Unsere Kolumnistin bietet eine pragmatische Lösung.

Illustration: Serge Bloch

»Im Urlaub in Jesolo kamen wir in einen kleinen Supermarkt, der ganz offen im Regal, inmitten einiger anderer deutscher Biersorten, Bierflaschen mit der Aufschrift ­›Hitler-Bier‹, ›Goebbels-Bier‹ etc. anbot – die Labels der Flaschen ›verziert‹ mit den entsprechenden Konterfeis. Wir waren entsetzt, wussten aber auch nicht, wie man nun damit umgehen soll. Den Geschäftsführer rufen und ihn zur Rede stellen? Aber weswegen genau? Ich wüsste nicht mal, worin genau die Ordnungswidrigkeit bestünde und ob diese offensichtliche Bezugnahme auf Hitler in anderen Ländern verboten oder erlaubt ist. Wie hätten wir uns verhalten sollen?« Claudia F., München

Wie es gewesen wäre, hätten Sie die Ladeninhaber angesprochen, können Sie in einem kurzen Video auf Youtube sehen: Da konfrontiert eine englischsprachige Urlauberin die ältere italienische Kassiererin, die es wohl offensichtlich okay finde, »Nazi-Wein« zu verkaufen, und die reagiert nicht etwa nachdenklich, entschuldigend oder kleinlaut, sondern ist augenblicklich auf 180, geht auf die Urlauberin los, hält deren Kameralinse zu, der Film bricht in Handgemenge-Gewackel ab.

Seit 1995 klebt der italienische Weinhandel Lunardelli Etiketten von Faschisten und Diktatoren auf Alkoholika. Das ist in Italien legal. Seither habe man, wie die Firmenwebsite stolz in vier Sprachen vermeldet, viel Aufmerksamkeit von den Medien in der ganzen Welt bekommen. Und es kam einiges an Protest. So stellte bereits 2003 die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ihren italienischen Kollegen Roberto Castelli zur Rede: ohne Erfolg. Zehn Jahre später rief das Simon Wiesenthal Center von Los Angeles aus zu einem weltweiten Boykott dieser Marke auf: brachte auch nichts. Durch deutsche Medien geisterten die Weine zuletzt 2018, als Fotos einer sich lasziv auf einer Küchentheke räkelnden AfD-Politikerin auftauchten, hinter ihr im Regal vier Flaschen Rotwein mit Hitler-Etikett. Kurz wurde überlegt, sie aus der Partei auszuschließen, aber wirklich nur kurz. Andrea Lunardelli, der Geschäftsführer des Weinhandels, betont übrigens gerne, dass seine Firma auch Marx-, Che-Guevara- und Kaiserin-Sisi-Wein im Sortiment habe und das Ganze doch nur ein lustiges Spaß-Mitbringsel sei. Es ist halt, leider, ein gutes Geschäft.

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Vielleicht wäre es das Beste gewesen, im Laden darauf hinzuweisen, dass man vorhatte, im großen Stil hier einzukaufen, dann aber die Nazi-Biere entdeckt habe und deswegen nun zur Konkurrenz gehe.