Das Dilemma des Lehrers

Nach Ansicht unseres Lesers erledigen seine Schüler ihre Hausaufgaben nur unzureichend. Was ist besser: sie zu bestrafen und ihnen die letzte Lust am Lernen zu nehmen – oder sie durch zu viel Milde schlecht aufs Leben vorzubereiten?

Illustration Serge Bloch

»Die meisten meiner SchülerInnen erledigen ihre Hausaufgaben nicht in dem Maße und Umfang, wie es erforderlich ist. Soll ich ihnen die restlich verbliebene Lust am Lernen vollends nehmen, indem ich sie hart für ihre Versäumnisse bestrafe (Nachsitzen, Verweise etc.), oder ist es besser, ihre Arbeitsverweigerung ungestraft zu lassen, auf die Gefahr hin, dass sie ungenügend vorbereitet sind auf die Leistungsgesellschaft nach Schulabschluss?« Oliver G., per Mail

Aus Ihrer Frage ist herauszuhören, dass Sie ziemlich darüber frustriert sind, dass Ihre Schülerinnen und Schüler nicht kooperieren. Das kann man gut verstehen. Ich glaube allerdings, dass Ihr Handlungsspielraum größer ist, als Sie ihn hier skizzieren. Zwischen hart strafen und resignieren liegt doch all das, wofür Sie seinerzeit vermutlich Lehrer geworden sind. Ein riesiges Feld voller Möglichkeiten, Ihre Schüler und Schülerinnen zu erreichen, zu motivieren, zu begeistern, zu interessieren. Bevor man hart straft, könnte man versuchen, all die anderen Mittel auszuschöpfen, die Lehrern zu Verfügung stehen und die weniger von oben auf die Schüler herabsausen. Wäre es nicht etwa denkbar, die Hausaufgaben im Unterricht abzufragen – angekündigt, oder zumindest erwartbar, und mit konsequenter Benotung? Nicht als Strafe, sondern als Teil einer Abmachung, zu der eben auch gehört, dass die Schüler zu Hause etwas vorleisten?

Aber es ist natürlich irrsinnig leicht, Ihnen von außen irgendetwas zu raten, in der Praxis haben Sie Ähnliches bestimmt versucht und aus Gründen, die Sie plausibel darlegen könnten, verworfen. Und Schüler sind ja auch keine konforme Masse, sondern völlig unterschiedliche Persönlichkeiten in einer der sensibelsten Phase ihres Lebens. Ein Gedanke aber noch: Wir können nicht wissen, ob die Gesellschaft künftig noch so leistungsorientiert sein wird wie bisher. Es gibt Hinweise darauf, dass es nicht so sein wird. Für jüngere Generationen scheint Arbeit jedenfalls nicht mehr das Allerwichtigste im Leben zu sein, und das muss ja gar nicht schlecht sein. Ich würde deshalb dafür plädieren, nicht allzu hart zu strafen, sondern die Schüler ernst zu nehmen, indem man ihnen zeigt, dass das, was sie tun oder eben nicht tun, Folgen hat. Man muss nur unbedingt vorher die Spielregeln klären.