Das Geheimnis der halbierten Couch

Die Möbel werden vor einer Weltreise kostenlos bei einem befreundeten Spediteur eingelagert. Bei der Rückkehr ist zwar das meiste noch da, aber nicht alles. Darf man sich beschweren, auch wenn es sich um einen Freundschaftsdienst handelte?

Illustration: Serge Bloch

»Meine Eltern waren ein paar Jahre in der Welt unterwegs und hatten ihren Hausstand bei einem befreundeten Spediteur eingelagert. Nun sind sie wieder sesshaft geworden und haben nach erfolgreicher Wohnungssuche ihren Hausrat zurückbekommen. Leider fehlt eine Palette mit Dingen wie zum Beispiel der Hälfte ihres Sofas. Die Einlagerung mussten sie wegen der Freundschaft nicht bezahlen. Sollten sie jetzt trotzdem eine Entschädigung einfordern, oder schaut man einem geschenkten Gaul tatsächlich nicht ins Maul?« Thomas K., Wandlitz

Ihre Frage rührt mich. Ich stelle mir Ihre Eltern vor, die nun, endlich von der Weltreise zurückgekommen, eng zusammenrücken müssen, damit nicht einer von beiden vom nunmehr halbierten Sofa fällt. Was war denn noch alles in der Palette? Stühle, sodass sie nun keine Gäste mehr zum Essen einladen können? Ein Teppich, dessen Fehlen man sich nun damit schönredet, dass das Parkett so viel besser zur Geltung kommt? Entschuldigen Sie, meine Fantasie geht mit mir durch, aber es ist so wahnsinnig höflich, dass Sie diese Frage stellen. Denn natürlich muss man sich nicht mit den Resten begnügen, die netterweise noch übrig sind, nachdem man einem Freund all seinen Besitz zur Aufbewahrung gegeben hatte. Ihre Eltern sollen doch auf einem ganzen Sofa sitzen! Was sagt denn der befreundete Spediteur zu den fehlenden Sachen? Wie erklärt er sich – oder vielmehr Ihren Eltern –, dass in seiner Obhut eine Palette abhandenkam? Oder weiß er das am Ende gar nicht, weil man ihn, der die Sachen netterweise gratis aufbewahrte, schonen will? Nicht dass er sich nun blöd fühlt.

Wenn er es aber weiß und ein Freund ist – und Spediteur, also vom Fach –, hat er denn dann nicht von sich aus eine Entschädigung angeboten? Ich glaube, irgendeine gemeinsame Lösung müsste hier schon gefunden werden. Denn wenn Ihre Eltern gewusst hätten, dass der Freundschaftsdeal bedeutet, dass sie unter Umständen nicht all ihre Habseligkeiten zurückbekommen werden, hätten sie doch bestimmt lieber anderswo für eine professionelle Einlagerung bezahlt. Mit allen Formalitäten, die dazugehören. Oder ist es dermaßen viel günstiger, nun ein neues halbes Sofa zu kaufen als eine ordentliche Einlagerung gewesen wäre? In diesem Fall müsste man einfach mal rechnen, und dann ist es an Ihren Eltern zu entscheiden, ob sich ein eventueller Streit mit dem Freund nun lohnt.