Der Dreck anderer Leute

Unsere Leserin durfte bei einem Bekannten wohnen – allerdings war es dort ziemlich schmutzig. Hat der Gastgeber Grund, sich auf den Schlips getreten zu fühlen, wenn sie die Wohnung sauberer hinterlässt, als sie sie vorgefunden hatte?

Illustration: Serge Bloch

»Mein Partner und ich haben eine Woche in der Wohnung ­eines entfernten Bekannten verbracht, genauer gesagt beim besten Freund seines Bruders. Wir kennen die Gastgeber nicht und haben uns sehr über die Möglichkeit gefreut, bei ihnen kostenlos zu wohnen, während sie selbst im Urlaub waren. ­Die Wohnung war groß, hell und schön, aber auch ganz schön schmutzig. Vor unserer Abreise wollten wir sauber machen. Aber: Wie sehr macht man sauber in einer Wohnung, die offenbar schon lange nicht mehr sauber gemacht wurde?« Johanna F., Berlin

Verstehe. Sie wollen nicht, dass sich Ihre Gastgeber auf den Schlips getreten fühlen. Von wegen: Schaut mal, wie schön eure Wohnung in Sauber aussehen würde! Eine Minirückfrage, nur aus Interesse: Warum haben Sie nicht gleich bei der Ankunft geputzt? Hätten Sie sich dann in dieser fremden Wohnung nicht viel wohler gefühlt? Aber gut, nun ist die Woche also um, und zum Schmutz der Gastgeber hat sich noch das eine oder andere Staubkorn von Ihnen gesellt. Was tun? Es wäre ehrlich gesagt sehr merkwürdig, wenn Sie jetzt bei der Abreise nur ein bisschen sauber machen würden. Es ist doch auch viel anstrengender, bei jedem Schmutzrand auf der Tischplatte, jedem Haar in der Dusche, jeder toten Fliege unterm Fenster zu überlegen, ob das nicht schon vor Ihnen da war. Das ist ja kein Tatort, den Sie unbefugt ­betreten haben, weshalb Sie nun alle Ihre Spuren beseitigen müssen, sondern eine Wohnung, in der man Sie großzügigerweise hat umsonst wohnen lassen. Und das, ohne Sie zu kennen! Netter geht’s ja gar nicht. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ­irgendjemand es als passiv-aggressiv auffassen könnte, wenn da zum Abschied, sei es aus reiner Höflichkeit, sei es zum Dank, gründlich sauber gemacht wurde. Dies als Vorwurf aufzufassen würde ja voraussetzen, dass man ein schlechtes Gewissen hat.

Im Zweifel machen sich diese Gastgeber einfach nicht so viel aus Sauberkeit. Vielleicht sind sie kurzsichtig und tragen innerhalb der Wohnung ihre Brille nicht. Vielleicht sind sie ein bisschen faul. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder die freuen sich, wenn sie nach Hause kommen und es sauber ist. Oder es fällt ihnen nicht einmal auf. Dass sie es unverschämt fänden, ist ausgeschlossen. Legen Sie einfach noch einen Brief dazu, in dem Sie sich uneingeschränkt für die Gastfreundschaft bedanken.