Wandphänomen

Auf der Betonmauer zwischen dem Hochhaus der Süddeutschen Zeitung und der S-Bahn-Station tauchen immer wieder neue Graffitis auf. Unser Autor fragt sich, welche Kleidung die Sprayer während ihren Aktionen tragen: Maleranzug oder Designerjacke? 

Gute Zeichen: Bomberjacke aus Samt, von Emporio Armani.

Foto: Thomas Albdorf

Zwischen den Büroturm der Süddeutschen Zeitung und die S-Bahn-Station wurde vor einigen Jahren eine Unterführung montiert: 200 Meter erlesener Sichtbeton. Ungefähr zwei Tage nach der Eröffnung war der erste Farbklecks gesprayt. Nichts Besonderes, nur ein Kringel, der wirkte, als hätte jemand die Perfektion der Betonfläche körperlich nicht ausgehalten. Danach gingen überall die großen und kleinen Kunstwerke auf. Nach zwei Wochen Urlaub kam es einem wie eine fremde Unterführung vor. So undurchsichtig die meisten Botschaften sind, sie belegen klar: Es gibt an diesem Ort eine Tagesbesatzung und eine Nachtbesatzung, und zwischen beiden Gruppen wenig Kontakt. Aber jede denkt über die andere nach. Die Spraykünstler fragen sich wohl, wie die langweiligen Büromenschen am Morgen ihre neuen Kringel finden. Und die langweiligen Büromenschen überlegen sich, wie die Spraykünstler nachts auf Leitern stehen und ob sie dabei Schutzanzüge aus dem Baumarkt tragen. Oder doch Jacken von Armani? Man weiß es nicht.