Zu eng!

Rücksendungen im Internet bestellter Klamotten verursachen der Modebranche gigantische Kosten. Mit überraschenden Methoden versuchen die Firmen zu erreichen, dass ihre Kleidung den Kunden besser passt.

    Zu eng! Wenn man den Knopf der neuen Jeans nicht schließen kann, muss man sie wohl zurückschicken.

    Es begann mit dem BH. Oder genauer mit der Frage: Warum ist es offenbar so wahnwitzig schwierig, einen BH zu finden, der passt? Hat eine Frau einen wirklich gut sitzenden gefunden, trägt sie ihn bis der fadenscheinige Rest ihr irgendwann vom Körper fällt, weil das Gefühl zwischen perfekt sitzend und nur ein ganz bisschen weniger perfekt ein Schritt von der Dimension ist: Neil Armstrong auf der Leiter oder Neil Armstrong auf dem Mond. Die Distanz ist gering, aber der Effekt ändert die Welt. Was ist da los?

    Das Lustige ist: Wenn man sich nur ein kleines bisschen damit beschäftigt, dann stellt man fest, dass es sich nicht auf BHs beschränkt. Gerade Frauen passt die weit überwiegende Mehrzahl der Kleider in ihrer Größe nicht. Sie sitzen einfach nicht. Und was bei BHs noch irgendwie schnell einleuchtet - seien wir ehrlich, Brüste haben etwas extrem zufälliges, willkürliches - ist bei Kleidern auf den zweiten Blick genau so: Menschen sind dick oder dünn, kurvig oder knochig und haben Hüften, Muskeln, Bäuche und Pos die nicht unbedingt zum Rest ihres Körperbaus passen.

    Kleidergrößen basieren auf dem Durchschnitt von vermessenen Menschen, aber der überwiegende Teil der Menschen entspricht diesem Durchschnitt nicht. Das ist ein Problem: Für unsere Egos beim Anprobieren in der Umkleidekabine - so sehr, dass eine beliebte Verschwörungstheorie besagt, die Textileinzelhändler hätten irgendwie besonders fiese Spiegel, die uns dick und dellig aussehen lassen (leider stimmt das nicht). Die Größe eines Kleidungsstückes ist nur ein sehr grober Hinweis darauf, wem es passen könnte. Entscheidend ist das Zusammenspiel der Größe mit Schnitten und Stoffen, die so genannte Passform - und die muss auch noch zur Mode passen.

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    Aber immer mehr Menschen probieren ihre Kleider nicht mehr vor dem Verschwörungsspiegel beim Händler, sondern im sanft ausgeleuchteten Schlafzimmer: Immer mehr Kleider werden online bestellt - und zurückgeschickt, wenn sie nicht passen. Bei hochwertiger, teurer Mode gehen bei vielen Firmen 50 Prozent und mehr von der verschickten Ware wieder zurück. Für den Kunden kostenlos, oder besser: auf Kosten des Händlers. Und das ist verdammt teuer. Bis zu 20 Euro kann es einen Händler kosten, wenn er Rückversand, Kontrolle, vielleicht die Reparatur und Reinigung, Wiederauszeichnung und Verpackung, Rückführung ins Lager, Wiedereingabe ins Warenwirtschaftssystem und die Rücküberweisung des Kaufpreises zu organisieren hat.

    Deshalb lohnt sich fast jeder Aufwand, die Quote der Rücksendungen so gering wie möglich zu halten. In einem ausführlichen Artikel beschreibt SZ-Magazin-Autor Michalis Pantelouris die vielfältigen, oft überraschenden Methoden, mit denen die Mode-Industrie ihre Produkte den Kunden besser anpassen möchte. Optimierte Artikelbeschreibungen sind darunter, aber auch ausgefuchste technische Lösungen, bei denen Kunden Körpermaße eingeben oder sich gar scannen lassen können, um Kleider virtuell zu probieren. Auch gibt es bereits soziale Netzwerke, in denen Kunden Kleider an anderen Menschen mit ähnlichen Figuren studieren können, und ganzen Abteilungen von Designern versuchen, die Maße der eigenen Kunden besser zu verstehen und entsprechend zu schneidern.

    Es begann mit dem BH, aber es endet mit dem guten Gefühl, dass der eigene dickliche Po zwar ein echtes Problem ist - aber vor allem für andere Leute.

    Lesen die komplette Geschichte hier mit SZ Plus.

    Das Land der Zurückschicker

    Selten finden wir im Internet Kleidung, die gut sitzt. Jetzt nimmt die Modeindustrie den Kampf gegen ihren ärgsten Feind auf: die Kleidergröße.

    Foto: TR/fotolia.de