In den Wäldern Kanadas

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Julius Schrank, der Holzfäller besucht hat, die unter Lebensgefahr uralte Bäume an der Westküste Kanadas fällen.


Name: Julius Schrank
Geboren: 1984 in Bielefeld
Ausbildung: Fotografie-Studium an der FH Hannover
Homepage: juliusschrank.de // kollektiv25.de

SZ-Magazin: Die Holzfäller in Ihrer Bildstrecke arbeiten auf Vancouver Island, an der Westküste Kanadas. Dort liegt einer der ältesten Regenwälder der Welt. Finden Sie es ökologisch vertretbar, dort Bäume zu fällen?
Schrank: Die Zedern, die dort stehen, sind teilweise 1000 Jahre alt – und gefällt werden sie in wenigen Minuten. Das ist eigentlich unvorstellbar. Aber ich denke, dass sich die Situation in Kanada stark gebessert hat. Es wird sehr auf ein nachhaltiges Fällen geachtet und es gibt strenge Kontrollen. Heute gibt es kaum noch Komplett-Rodungen. Außerdem wird nachgepflanzt, nachdem die Holzfäller da waren. Man kann also schon sagen, dass es ökologisch vertretbar ist. Das weitaus größere Problem sehe ich darin, wie man mit den dort ansässigen Ureinwohnern umgeht.

Inwiefern?
Das Land, auf dem die Rodungen stattfinden, ist eigentlich Indianerland. Es gehört den Ureinwohnern, dort liegen viele ihrer Reservate. Die großen Holzfirmen kaufen von ihnen Lizenzen für das Holzfällen. Das ist für die Firmen sehr lukrativ, das Holz von den alten Zedern ist sehr hochwertig und geht meist in den Export nach Europa oder Japan. Doch vom Profit geht kaum etwas an die Indianer. In ihren Reservaten ist die Lebensqualität sehr schlecht. Die Siedlungen liegen weit ab von der Infrastruktur und sind meist total heruntergekommen. Es gibt viel Alkoholismus und Gewalt. Unter solchen Bedingungen ist es für die Indianer kaum möglich, etwas auf die Beine zu stellen und zu managen, was auch für sie profitabel ist. Sie bekommen in den Betrieben höchstens die Jobs, bei denen anstrengende körperliche Arbeit verrichtet werden muss. Geleitet werden die Firmen alle von Weißen. Die Indianer sind sehr enttäuscht und wütend, wie mit ihnen umgegangen wird.

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Wollen die Indianer, dass die Holzfäller verschwinden? Oder wären sie mit der Bewirtschaftung des Waldes einverstanden, wenn sie fair am Profit beteiligt würden?
Ich glaube, generell wäre es den Indianern natürlich ab liebsten, man würde die Bäume stehen lassen. Aber das ist natürlich in unserer heutigen Welt fast unmöglich, und das wissen die Indianer auch. Sie leben dort hin- und hergerissen zwischen zwei Kulturen. Auf der einen Seite leben sie noch sehr traditionell von der Jagd und vom Fischfang. Andererseits können sie sich natürlich nicht den Einflüssen der Konsumgesellschaft entziehen. Und wie gesagt: Die Lebensqualität in den Reservaten ist sehr schlecht. Ich denke, die Ureinwohner wollen einfach fair am Profit aus dem Holzhandel beteiligt werden, damit sie ihren Lebensstandard verbessern können.

Wie läuft das ab, wenn ein Hang gerodet wird?
Die eigentliche Rodung geht ziemlich schnell. Die Holzfäller sind nur rund eine Woche mit einem Hang beschäftigt. Sie werden mit Hubschraubern in den Wald geflogen und dort abgesetzt. Die  vorgesehenen Bäume fällen sie dann mit Kettensägen. Sie sind immer zu zweit unterwegs und stehen in ständigem Funkkontakt miteinander. Sie dürfen auch höchstens fünf oder sechs Stunden am Stück arbeiten, weil die Arbeit sehr gefährlich ist. Die Holzfäller könnten von fallenden Stämmen erschlagen werden, es gibt auch viele Unfälle mit der Kettensäge. Wenn so etwas mitten in der Wildnis passiert, ist das natürlich besonders schlimm. Da kommt es immer wieder zu Schwerverletzten und Toten.

Was passiert mit den Bäumen, wenn sie gefällt worden sind?
Dann geht die eigentliche Arbeit erst richtig los. Die Bäume werden von einem schweren Transporthubschrauber eingesammelt. Der Helikopter hat unten eine Kralle, mit der er liegende Stämme aufgreifen kann. Das ist Präzisionsarbeit. Die Crew muss sehr weit runtergehen, die am Boden liegenden Stämme sind ja von noch ungefällten Bäumen umgeben. Ich bin selbst nicht mit diesen Hubschraubern mitgeflogen. Es muss eine ziemliche Tortur sein, schlimmer als die wildeste Achterbahnfahrt. Wenn die Arbeit an einem Hang dann abgeschlossen ist, wird zusammengepackt. Die Holzfäller-Camps sind mobile Einheiten. Alles wird abgebaut, die Geräte werden verladen. Dann geht es weiter zum nächsten Hang.

Das gefällte Holz liegt dann mitten in der Wildnis. Wie wird es von dort abtransportiert?
Wenn es geht, wird es geflößt. Oft wird es aber auch von Trucks abgeholt. Dafür werden dann extra Straßen durch den Wald gelegt. An diesen Straßen entstehen dann später oftmals Siedlungen. Man sagt ja auch, die Holzfäller hätten Kanada erschlossen. Da ist etwas Wahres dran.

Fotos: Julius Schrank