Einen Moment lang dachte man, die zersplitterte Welt wäre sich ausnahmsweise einig. Vergangenen Sommer tauchten die ersten Bilder aus Greta Gerwigs Barbie-Film auf. Die Besetzung von Margot Robbie als hohlfüßigste Puppe aller Puppen erschien vollkommen naheliegend (zumal sie den Film eh mitproduziert), aber natürlich auch vollkommen super. Dagegen Ryan Gosling als Ken? Das Internet erstarrte kurz beim Anblick seiner platinblonden Haare und des wie in Plastik gegossenen Waschbrettbauchs, jubelte dann aber geschlossen los. Den Kanadier hatte man zwar bislang weder so unterbelichtet noch so überblondiert besetzt, in wild gemustertem Neon-Overall und Inlinern an den Füßen schien er aber die Rollen fürs Leben gefunden zu haben. Womöglich würde sich das noch als Casting des Jahrhunderts – ja, doch –entpuppen.
Ein dreiviertel Jahr und zwei Trailer später entschieden allerdings ein paar kritische Stimmen kürzlich auf Twitter: Nee, eigentlich doch nicht so genial. Mit seinen 42 Jahren sei der Schauspieler viel zu alt für die Rolle. Beim Lächeln würden sich deutliche Falten zeigen, er solle sich mal Botox spritzen lassen. So tauge er allenfalls als »Grandpa-Ken«. Für Menschen unter Mitte 20 ist der Mann ganz offensichtlich Gammelfleisch.
Die Ehrenrettung folgte sofort. Alle Menschen über Mitte 20 vergöttern Gosling schließlich seit dem Film »Drive« geradezu. Aber interessant ist das natürlich schon, dass sich hier ein Mann auf einmal dasselbe anhören muss wie sonst die Frauen. Dass sie nicht mehr taufrisch aussehen, zu alt für irgendwas sind, mal dringend etwas machen lassen sollten. Diese Art »Ageism«, auf Deutsch Altersdiskriminierung, war bei Männern bislang kaum ein Thema, weil es ja Spätlese-Typen wie George Clooney gab, die erst ab 40 ihr volles Potenzial entwickelten. Auch Humphrey Bogart war in Casablanca bereits 42, obwohl er darin einen 37-jährigen Barbesitzer spielte. Die Welt war nachhaltig von ihm hingerissen.
Im pinkfarbenen Matriarchat herrschen nun offensichtlich umgekehrte Verhältnisse. Barbie ist »in Wirklichkeit« – nach Wikipedia und irgendeiner ausgedachten Biografie – auch erst 17, Margot Robbie bereits 32, darüber beschwert sich aber keiner. Überhaupt ist Barbie laut dem Filmplakat »everything«, also nicht nur die Reit-Barbie, die Meerjungfrau-Barbie, die Prinzessinnen-Barbie, sondern mittlerweile auch noch Astrophysik-, Pulitzer-, und Präsidenten-Barbie. Ihr Freund hingegen ist »just Ken.« Nichts weiter. Ein Puppen-Mann ohne Eigenschaften, dafür mit einem Haufen Probleme.
Zumindest sprach Gosling in einem Interview mit Entertainment Weekly davon, dass sein Ken eine ganze Menge durchmache: kein Job, kein Haus, kein Auto, kein Geld. Nur sein Sixpack und die heiße Braut hat er. Klingt so, als sei da die ein oder andere existentielle Sinnkrise vorprogrammiert. Das zumindest wäre ein Dreh, den man von jemandem wie Greta Gerwig in der immer zu perfekten Plastikwelt erwartet.
Es gibt sogar schon den Barbie-Selfie-Generator für Instagram
Gloria Steinem sagte über die Spielzeugfigur einmal, sie sei »alles, was Frauen sein sollten, aber nicht sein wollten«. Womöglich dreht Gerwig den Spieß jetzt um, und Barbie ist plötzlich eine ganze Menge von dem, was Frauen heute sein wollen, während Ken erst mal nur ein »Himbo« ist: ein hübscher Boyfriend, und dabei nicht mal mehr ganz knackig. Dann wäre so ein bisschen Altersdiskriminierung gegen Ken im Vorfeld sogar das beste pseudo-feministische Marketing, das diesem Film passieren konnte.
An Marketing mangelt es ohnehin nicht. Kinostart ist zwar immer noch erst Ende Juli, der Trend »Barbiecore« läuft derweil schon seit über einem Jahr auf Hochtouren und hat Pink bis in die letzte Faser der Modewelt gespült. Seit letzter Woche gibt es den Barbie-Selfie-Generator für Instagram. Dem Hersteller Mattel kann die Promophase wahrscheinlich gar nicht lange genug dauern: Die Verkäufe der Puppen stiegen zuletzt um 20 Prozent.
Das sagt Ken: »’cause we are girlfriendboyfriend«
Das sagt Barbie: »No one’s gonna beach anybody off«
Passender Song: »Barbie Girl« (Aqua)