Natürlich muss man sich fragen, ob es Kanye West nicht zu blöd ist, mit Julia Fox das gleiche Styling-Programm abzuziehen wie zuvor mit seiner Fast-Ex-Frau Kim Kardashian. Aber nachdem er seine neue Flamme in eine Hotelsuite voller Klamotten führte und ihr damit einen »Cinderella-Moment« verschaffte, er ein Dinner in New York in ein Fotoshooting verwandelte und jetzt mit ihr zur Fashion Week nach Paris fuhr, lautet die Antwort offensichtlich: Nee, ist ihm nicht zu blöd. Das ist einfach seine Art, Zuneigung zu zeigen. In einem Interview sagte er einmal: »Styling Kim, that’s a language of love for me.« Eine Sprache der Liebe also. Aha.
Böse Zungen würden jetzt anmerken, dass dieser Billion-Dollar-Dialekt unter vielen reichen Männern verbreitet ist, die ihre Frauen wie einen Christbaum behängen. Aber bei Kanye West, neuerdings kurz Ye, liegen die Sachen anders. Er ist Künstler. Er kauft nicht einfach, er kuratiert. Seine Freundinnen sind für ihn Puppen im absolut wörtlichen Sinne: Der Meister modelliert an ihnen herum, damit sie seiner Vorstellung entsprechen und seinen Look daneben nicht versauen. Wenn ein Mann das mit einer Frau im eigenen Freundeskreis machen würde, hielte man ihn für unheimlich, mindestens übergriffig. Aber hey, das ist Kanye West! Der drückt sich halt aus!
Erst seit Neujahr sind der 44-jährige Musiker und die 31-jährige Schauspielerin ein Paar, und schon haben sie ein Dutzend Balenciaga-Teile verarbeitet. In gerade mal 23 Tagen ist da also schon eine Menge gesagt, also gestylt, worden.Aber am Sonntag bei der Kenzo-Modenschau in Paris war der bislang ausdrucksstärkste Look zu sehen: Beide erschienen in Double Denim. Oben Jeans, unten Jeans, dazu trug Fox Jeansstiefel von Diesel. Macht fünfmal Jeans. Genau die Art von Fashion-Futter, das man an so einem langweiligen Sonntag, den die Hälfte der Menschheit in Omikron-Quarantäne verbringt, so brauchte.
Kanye und Fox stellen ganz bewusst einen Justin-und-Britney-Moment nach
Double Denim ist schließlich berüchtigt. Weil es in Stilfibel-Kreisen immer noch als total untragbar gilt. Komischerweise gibt es lauter Bilder aus der Vergangenheit, die das Gegenteil beweisen. Debbie Harry 1978 auf der Bühne mit dunkler kurzer Jeansjacke und heller Jeanshose, Brooke Shields als Calvin-Klein-Model in den Achtzigern, Tupac Shakur in den 90ern mit Baggy-Jeans, hellem Hemd und weißer Weste darüber – alles sehr blau und sehr toll. Sogar Elvis trug in den Fünfzigern schon »Canadian Tuxedo«, wie Double Denim auch genannt wird.
Aber dann traten Britney Spears und Justin Timberlake 2001 bei den American Music Awards auf und trugen bislang ungesehenes Vierfach-Denim: Die Sängerin erschien im langen Corsagen-Jeanskleid, der Sänger in Jeansanzug und Denim-Cowboyhut. Der Partnerlook ging sofort in die Modegeschichte ein. Das war einfach zu wild, zu viel »Stone Washed« auf einmal, aber auch irgendwie auch herzergreifend. »Liebe ist... dem Partner zuliebe auch Double Denim zu tragen.«
Kanye und Fox stellen mitten im Y2K-Revival (Englisch für: Jahr 2000) also ganz bewusst einen Justin-und-Britney-Moment nach – und es funktioniert. Das Bild verbreitete sich rasend schnell auf Social Media. Das liegt allerdings auch daran, dass der Look maximal aktualisiert und akzentuiert wurde. West trug doppeltes Balenciaga-Programm, eine gefütterte Jacke und Baggy-Hosen in schwere Arbeiterstiefel von Red Wing gesteckt. Jacke komplett zugeknöpft, Kragen aufgestellt. Mauerfallmode meets Motorradkluft. Fox dagegen war in einer bauchfreien Jacke mit spitzen Cone-Bras von Schiaparelli zu sehen. Das Label liefert unter dem Designer Daniel Roseberry gerade ständig Entwürfe, die garantiert nicht übersehen werden. Die goldenen Ohrringe in Zahnform stammen ebenfalls von der Marke, die tiefsitzende Hose laut Vogue aus Roseberrys Privatbestand. Hier hat Kanye oder sonst wer tatsächlich ganze Arbeit geleistet: Denn bei Schiaparelli selbst war die Hose noch sehr hüfthoch geschnitten und nur ein Streifen Haut zu sehen. Mit kompletter Nabelschau dazwischen wird ein Hit draus. Und darum geht es auch bei Kanyes Liebesbeweisen immer.
Warum es »Canadian Tuxedo« heißt, hat übrigens eine tolle Geschichte. Der Schauspieler Bing Crosby wollte 1951 in ein Luxushotel in Vancouver einchecken. Er kam aber gerade vom Jagen und trug deshalb man-weiß-jetzt-schon-was. Der Türsteher verweigerte ihm den Zutritt, weil der vorgeschriebene Dresscode einen dreiteiligen Anzug vorsah, bis jemandem auffiel, dass es sich bei dem komischen Typ in Double Denim um einen Hollywoodstar handelte. Levi’s fertigte Crosby daraufhin einen Dreiteiler komplett aus Jeans an, einen »kanadischen Smoking« eben. Auf einem Schild in der Innenseite des Jacketts stand: »An alle Hotelangestellten: absolut angemessener Stoff und jeder, der ihn trägt, sollte Zutritt zu den besten Hotels haben.«
Typischer Instagram-Kommentar: »Alles Jeazy oder was?«
Wird auch getragen von: Bella Hadid, Mila Kunis, Gigi Hadid
Passender Film: »Brokeback Mountain«