Was fürs Auge. Das ist wichtig, das weiß jeder, der schon mal ein Event organisiert hat. Ein bisschen Dekoration hier, ein bisschen Beiwerk dort, im besten Fall farblich abgestimmt, damit es hübsch aussieht. Und wenn es um hübsche Sachen geht, macht den Franzosen keiner was vor. Sieht man ja gerade wieder bei der Tour de France. Da sitzt alles: In der Mitte steht der Führende in der Gesamt-, Berg oder Sprintwertung mit dem jeweiligen Trikot und alles drum herum harmoniert mit der Farbe des Leibchens.
Als gestern also der Franzose Julian Alaphilippe mit dem weiß-rot gepunkteten »King of the Mountains«-Trikot aufs Podium stieg, war die Sponsorenwand hinter ihm auch mit Pünktchen umrundet, der Blumenstrauß in rot-weiß gehalten und sogar den jungen Frauen links und rechts hatte man Polka-Dot-Kleidchen angezogen. Da stimmt einfach alles, das muss man den Franzosen lassen.
Muss man? Die Hostessen, die die Fahrer flankieren und ihnen traditionell simultan ein Küsschen auf die Wange drücken dürfen, sind im Jahr 2018 genau das: ein Treppenwitz. Zwei Frauen, die lediglich als Staffage und Kamerafutter dienen. Ein bisschen klatschen, einmal busseln, Klappe halten, gut aussehen. Was in so einem Polka-Dot-Kleid mit weißem Layer darunter zugegebenermaßen gar nicht so einfach ist.
Da hatte es Natalia Vodianova deutlich besser. Das Model durfte beim WM-Finale in Moskau in Louis Vuitton über den Rasen laufen, weil der WM-Pokal in einer Schatulle von Louis Vuitton aufbewahrt wird. Vodianova ist übrigens Russin, nebenbei die Frau von Antoine Arnault, Sohn des LVMH-Gründers Bernard Arnault. Sie war damit quasi als doppelte Botschafterin unterwegs, für Russland und Louis Vuitton. Für die Hamburger Morgenpost war sie vor allem: »die schöne Frau an der Seite von Philipp Lahm.«
Die Frage lautet also: Soll man alle »Podium Girls« abschaffen? Weil es – Tradition hin oder her – nun mal frauenfeindlich ist, sie auf eine Podest-Barbie zu reduzieren? Bei Darts-Wettkämpfen gibt es die »Podium Girls« seit vergangenem Jahr nicht mehr, die Formel Eins hat unlängst die »Grid Girls« gestrichen, und nach dem spanischen Radrennen Vuelta wollte die Tour de France sich eigentlich anschließen – jetzt aber eben offensichtlich doch nicht. So wie beim Formel-Eins-Grand-Prix von Monaco plötzlich wieder eine Horde hübscher Frauen bei der Eröffnung einlief. »Sie sind hübsch und die Kameras werden einmal mehr auf sie gerichtet werden«, erklärte Michel Boeri, Präsident des Automobile Club of Monaco, die sofort einleuchtende, lebensnotwendige Präsenz der Damen.
Nicht, dass nur die Männer klagen würden, dieser Pseudo-Feminismus gehe jetzt wirklich zu weit. Auch einige der Darts-Models beschwerten sich, sie würden hier um ihre Einnahmequellen gebracht. Es stimmt natürlich, dass die Frauen sich aus freien Stücken um diesen Posten bewerben. Dass es in Gameshows nach wie vor Nummerngirls und auf allen möglichen Veranstaltungen Hostessen/Models gibt, deren Jobbeschreibung sich im Allgemeinen auf »rumstehen und gut aussehen« beschränkt, finden auch immer mehr Menschen antiquiert. Müsste man die dann konsequenterweise gleich mit abschaffen?
Andersrum gefragt: Wäre es vorstellbar, dass Angelique Kerber nach ihrem Wimbledonsieg die Schale von zwei hübschen, in gold-weiß gekleideten Männermodels überreicht bekommt, die sie für die Kameras synchron abbusseln? Fragt die Mopo am nächsten Tag: »Wer war der Hammer-Typ in der Box von Angelique Kerber?« Bewerben sich Horden von jungen Männern mit ansprechendem Äußeren für »Host«-Jobs? Würden sie natürlich sicher. Es gibt nur bedauerlicherweise so wenig Ausschreibungen für diese hochqualifizierten Fachkräfte.
Wird auch getragen von: Säulen, Pergolas und anderen flankierenden Maßnahmen
Nicht zu verwechseln mit: »Trophy Wife«. Ähnliches Konzept, aber mit Kost und Logis.
Typischer Instagram-Kommentar: Höchste Zeit für die Digitalisierung der Arbeitswelt. Den Job kann doch prima ein Hologramm von Alexa übernehmen.
Passender Song: Links a madl, rechts a madl (Florian Silbereisen)