Bitte keine Staubfänger

Wenn es um die Frage geht, was man seinen Großeltern schenken könnte, sind viele überfordert. Unsere Senioren-Kolumnistin gibt Tipps und verrät, was auf ihrem Wunschzettel steht.

Illustration: Nishant Choksi

Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn mir meine Enkel kurz vor Weihnachten die Geschenktüten überreichen. Ich brauche die Tüten nicht zu öffnen, um zu wissen, was darin liegt. Meine erwachsenen Enkel schenken mir Weinflaschen, gutes Duschgel oder Schokolade, das ist immer so. Und es gibt eine einfache Erklärung, warum sie mir damit trotzdem immer eine große Freude bereiten.

Je älter ein Mensch wird, desto schwieriger ist auch die Frage, was man ihm schenken soll. Denn die Dringlichkeit von Wünschen verändert sich mit jeder Lebensphase. Kinder haben Wünsche, die sich selbst nicht erfüllen können, sie brauchen Anlässe wie Weihnachten und den Geburtstag. Ein Computerspiel, ein Puppenhaus, große Duplo-Sets, solche Dinge. Junge Erwachsene, in diese Kategorie fallen meine Enkel, wünschen sich Dinge, die sie sich vielleicht gerade so leisten könnten – für die sie sich  dann aber auch ein paar Mal Ausgehen verkneifen müssten, damit am Ende des Monats der Kontostand noch passen würde. Ein guter Rucksack für Wochenendausflüge mit Freunden, zum Beispiel. Bei Erwachsenen wird es eng. Jetzt kann man nur noch Sachen schenken, die der andere mag, bei dessen Kauf er aber ein schlechtes Gewissen hätte: ein teures Parfüm, einen guten Ledergeldbeutel.

Dann kommen die Senioren als größte Herausforderung für alle Schenkenden. Denn sie besitzen alles, was sie mögen oder brauchen. Ich muss mich dafür nur in meiner Wohnung umschauen: Ich habe jedes technische Gerät, das ich im Alltag benutze, zu viele schöne Vasen und Möbel sowieso. In meinem Kleiderschrank stapeln sich die Lieblingsteile aus fast acht Jahrzehnten Leben. Und als jemand, der seinen Hausstand schon zwei Mal für einen Umzug halbieren musste, möchte ich gar nicht mehr so viel anhäufen.

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Ich kann also verstehen, warum so viele jüngere Menschen ein Problem haben, ihren Großeltern oder Eltern ein einfallsreiches Geschenk zu überreichen. Ich habe mit meinen Kindern deswegen einen Nichtangriffspakt vereinbart, wie ich es nenne. Sie schenken mir nichts, nur um mir etwas zu schenken, und umgekehrt genauso. Bei meinen Enkeln ist es anders, ich weiß, dass sie meinen Weihnachtszuschuss zu Smartphones oder einem guten Rucksack einfach noch brauchen. Dass sie mir im Gegenzug auch etwas schenken wollen, verstehe ich.

Zum Glück wissen meine Enkel auch, was ein gutes Geschenk für mich ausmacht: Es muss vergänglich sein – also nichts, für das ich in meiner kleinen Wohnung einen Platz suchen muss. Und es muss mir Genuss bringen. Schon bin ich glücklich. Ein Hoch auf den Hedonismus. Hier eine unvollständige Liste der Geschenke, die diese beiden Punkte erfüllen: Wein, Schokolade (aber bitte dunkle), eine gute Salami, ein würziger Bergkäse, Blumen, Konzertkarten und Bücher, wenn ich sie nach dem Lesen weiterverschenken darf.

Also freue ich mich jedes Weihnachten über die Geschenktüten, in denen eine Flasche Riesling klirrt. Ich entkorke sie an einem Abend zwischen den Jahren, trinke ein Glas und denke an meine Enkel.