Der Stenz hatte es besser

Axel Hacke schaut zwei Folgen Monaco Franze und fragt sich mit seiner Frau dann, warum einen die Weltereignisse heute eigentlich bis ins Bett verfolgen.

Paola, meine Frau, und ich hatten zwei Folgen von Dietls Monaco Franze gesehen, dann noch eine und noch eine. Dann sagte Paola, wie sehr die Welt seitdem ihre Unschuld verloren habe, also: seit den Zeiten vom Monaco.

Wie meinst Unschuld, Spatzl?, fragte ich.

Sie meine, dass es kein unbelastetes Handeln im Alltag mehr gebe, weil das Weltgeschehen auf jeden Einzelnen von uns zugreife, immerzu. Wer habe sich früher für eine Ansprache des amerikanischen Präsidenten vor dem Kongress interessiert?! Heute kenne man die Ergebnisse einer Gouverneurswahl in Iowa und verfolge Unterhaus-Debatten in London live.

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Das nennt man Globalisierung, sagte ich. Außerdem habe es immer politisierte und nicht so politisierte Zeiten gegeben, was sei daran neu?

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Verstehst du nicht? Die Weltereignisse verfolgen dich bis ins Bett, wenn du abends noch mal aufs Smartphone schaust, und, was wichtiger ist: Du fühlst dich für alles verantwortlich. Jeder Bissen beim Essen hat politische Relevanz. Isst du Rindfleisch, trägst du zur Verschärfung der Klima-Problematik bei, nimmst du Fisch, musst du dich fragen lassen, ob du nie von der Überfischung der Weltmeere gehört hast. Abgesehen davon, dass eine vegetarische, wenn nicht vegane Ernährungsweise dir auch Lob deines Arztes eintragen würde.

Ist doch gut, sagte ich: dass jeder sich seiner Verantwortung für die Welt bewusst ist!

Die Frage ist nur, ob der Einzelne nicht ­damit überfordert ist, die Verantwortung für die Welt zu tragen, antwortete sie. Er trägt genug Verantwortung für sein eigenes Leben,­ das seiner Familie – und jetzt noch für den Globus? Kann es richtig sein, dass uns die Welt so auf den Pelz rückt? Wenn du früher im Urlaub warst, hast du nach fünf Tagen vielleicht am Kiosk vorbeigeschaut und eine verwitterte Süddeutsche erworben. Heute tropft nach einem Tag das Twitterzeug aus dem Handy, weil der Speicher überläuft.

Ich sehne mich nach alten Zeiten, sagte ich seufzend. Obwohl ich es immer gehasst habe, wenn Leute sich nach alten Zeiten sehnen. Ich hasse es heute noch. Die sich nach alten Zeiten sehnen, treiben Großbritannien ins Chaos, Italien in die Rezession, und Amerika, o je, Amerika …

Es sind nicht Leute, die sich nach alten Zeiten sehnen, die das tun, sagte Paola. Es sind jene, die eine Sehnsucht der Menschen nach alten Zeiten benutzen, weil das ihren Interessen dient. Donald Trump sehnt sich nicht nach alten Zeiten, er sehnt sich nach Geld. So einfach ist das. Ist bei Putin nicht anders, dem geht’s nicht um die Größe Russ­lands, sondern um die eigene. Was man sich fragen muss: Glauben wir, die Welt besser zu machen, wenn wir bei jeder Plastiktüte und jeder Autofahrt über unseren Beitrag nachdenken? Verschiebt man nicht die Lasten? Geht es nicht darum, Probleme politisch zu lösen, nicht als Individuum?

Das ist bequem. Man schiebt es den Politikern rüber und lebt drauflos, sagte ich.

Nein, weil wir natürlich zu verstehen haben, dass wir selbst politisch denken müssen. Wenn wir durch unser Alltagsleben die Welt verändern wollen, tun wir in Wahrheit nichts oder jedenfalls nicht genug. Und darüber hinaus überfordern wir uns auch noch, statt uns am Leben zu freuen. Verstehst du? Im Privatleben ist Egoismus nichts ausschließlich Schlimmes, außerdem schadet zu viel Ernst der Lebensfreude, darum geht es doch im Monaco Franze: Das Wichtigste ist Spiel, Leichtigkeit, Lässigkeit, und, wie soll ich ­sagen?, eben eine gewisse Unschuld. Ist auch was Schützenswertes! Wer die Welt ver­bessern will, muss gegen die Agrarindustrie vorgehen und gegen die Fertignahrungs­fabrikanten und die Schweineschlachtkartelle und so weiter und so weiter. Er muss das ­System verändern und nicht sich selbst.

Sich selbst schon auch, murmelte ich.

Meinetwegen, sagte sie. Schauen wir noch eine Folge?