Sarkozy

Ein Mann und sein Land, da muss intelligentes Design am Werk sein, sonst wäre das alles gar nicht zu erklären. Diese ondulierten Haare, diese Zustimmung heischenden, unsteten Augen, diese Gesichtszüge, die jederzeit clownesk explodieren können – steckt darin nicht schon das komplette Klischeebild des französischen Mannes? Und erst recht diese 165, vielleicht auch 168 Zentimeter Körpergröße: Was könnte geeigneter sein, das aktuelle Format der »Grande Nation« zu exemplifizieren? Es gibt kein offizielles Foto von Nicolas Sarkozy, auf dem seine Statur nicht sorgfältig manipuliert wäre; wenn er beim Baden fotografiert wird, retuschieren französische Bildredakteure sogar seine Bauchfalten; und ein Chef-redakteur, der es einmal wagte, seine Ehefrau samt Lover aufs Titelbild zu heben, musste gehen. Ganz offensichtlich vereint sich in dieser Person, was man als Mann und als Nation so an Komplexen mit sich herumtragen kann.

Was sonst von Sarkozy in Erinnerung ist, passt ebenfalls ins Bild: Als Innenminister ließ er einmal ein berühmtes Familienfoto von John F. Kennedy im Weißen Haus ganz einfach nachstellen – mit sich selbst, seiner Frau und seinem Sohn. Rhetorisch empfahl er schon mal den »Dampfdruckreiniger«, um soziale Brennpunkte in den Vorstädten zu »säubern«. Jugendliche ohne Hoffnung, die auch auf solche Äußerungen mit Krawallen reagierten, beschimpfte er als »Gesindel«. Mit einer hüb-schen Journalistin des Figaro, die über seinen Präsidentschaftswahlkampf berichten sollte, begann er eine Affäre. Ségolène Royal, seine Konkurrentin um das höchste Staatsamt, bezeichnete er als »mittelmäßige Schauspielerin« und als »politisch unfähig«. Und schon länger findet er überhaupt nichts dabei, sich bei jeder Gelegenheit von mächtigen Freunden aus der französischen Medien- und Rüstungsbranche einladen und aushalten zu lassen, um sie anschließend als »Vorbilder für Frankreich« zu preisen.

Das klingt ein wenig zu irre und testosteronüberladen, um wahr zu sein, und tatsächlich drängt sich der Verdacht auf, hinter all dem gallischen Gockeltum könnte sich auch eine kalte politische Strategie verbergen. Tatsächlich ist es Sarkozy gelungen, auch das rechtsextreme Wählerspektrum auf seine Person zu vereinigen, obwohl er jüdische Wurzeln hat und ein Einwandererkind ist (der Vater stammt aus Ungarn, die Familie der Mutter aus Griechenland). Zudem hat er es geschafft, das wachsende Misstrauen zu nutzen, das die Franzosen gegen ihre politische Elite hegen, indem er sich als einfacher Mann aus dem Volk präsentiert, der genauso auf protzige Rolex-Uhren wie auf peinliche Schlagersänger steht. Alles nur vorgetäuscht? Keineswegs, erklärt die Schriftstellerin Yasmina Reza in einem neuen Buch. Sie hat »Super-Sarko« ein Jahr lang im Wahlkampf begleitet und ungefiltert ihre Eindrücke notiert: von einem Getriebenen des Erfolgs, der keine Sekunde stillstehen kann, gleichermaßen auf der Flucht vor sich selbst wie auf der Jagd nach einem unerreichbaren Ziel.

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So gesehen hat Sarkozy etwas Abstoßendes und seltsam Anrührendes zugleich. Man möchte ihn auf keinen Fall zum Vorbild nehmen, aber glaubt zu verstehen, wie er tickt. Warum er auch nach der gewonnenen Wahl keine Sekunde innehalten konnte und einen wahren »Furor des Regierens« (FAZ) entfacht hat, warum er seine Minister zu Er-füllungsgehilfen seiner wild gewordenen Ein-Mann-Politik degradiert und sogar seine zurückgekehrte Frau Cécilia noch dazu benutzt, politische Paukenschläge wie in Libyen zu inszenieren. Womöglich ist er tatsächlich so wahn-haft selbstbezogen, wie es auf den ersten Blick aussieht, aber auch genauso verletzlich und unsicher; wahrscheinlich spürt er tatsächlich diese unerklärliche Mischung aus Unbesiegbarkeit und Zukurzgekommensein; und am Ende will er manipulieren, sich aber genauso auch durchschaut wissen – und gerade mit allen Speckfalten geliebt werden. Insgesamt widerlegt er im Alleingang die These, die Welt sei bereit für einen neuen, nüchternen, »post-heroischen« Politikstil. Sie ist es nicht. Je mehr uns solche Showeinlagen im eigenen Land fehlen werden, desto dankbarer werden wir nach Frankreich blicken.