SZ-Magazin: Frau Dürr, ist Ihr Job nicht eine Garantie für gute Laune?
Sabine Dürr: Eigentlich schon. Denn ich habe ja normalerweise mit fröhlichen Anlässen und Menschen zu tun. Im Sommer kreiere ich viele Hochzeitstorten, da bin ich immer komplett ausgebucht, und ansonsten natürlich Geburtstage, Taufen, Kommunionfeier. Die schönste Bestätigung ist dann für mich, wenn die Leute ihre Torte abholen kommen. Wenn ich sie ihnen zeige, flippen die teilweise echt aus, da gab es auch schon Freudentränen. Ich freue mich immer unglaublich, wenn ich diese begeisterten Gesichter sehe.
Sie sagen »normalerweise« – gibt es auch tragische Tortenaufträge?
Es gibt schon auch Notfälle. Vor zwei Jahren hat mich im Juli eine Frau angerufen und geweint: Die Designerin, die ihr die Hochzeitstorte anfertigen sollte, hatte kurzfristig abgesagt. Die Braut hat mir dann so leidgetan, dass ich gesagt habe »Ich mache sie dir!«, obwohl ich schon komplett ausgebucht war. Und dann war da vor drei Jahren noch ein wirklich trauriger Fall.
Was war passiert?
Eine Frau, die ich schon länger kenne, weil ich für ihren Sohn mal eine Torte gemacht hatte, schrieb mir, dass ihr Neffe ins Krankenhaus gekommen sei, mit Verdacht auf Krebs, und dass sie gerade alle Untersuchungen durchführen würden. Darum musste er seinen elften Geburtstag im Krankenhaus feiern. Sie fragte, ob ich ihm eine Torte machen könnte – und ich antwortete sofort: »Natürlich.« Da musste ich nicht überlegen.
Was für eine Torte war das?
Der Junge war damals ein großer Spiderman-Fan. Also habe ich eine Torte blau überzogen, oben drüber kamen ein modelliertes Spinnennetz und eine rote Spiderman-Maske aus Fondant-Masse.
Wie ging es Ihnen während der Herstellung?
Für so eine Torte brauche ich ungefähr einen Tag und ich habe wirklich die ganze Zeit an den Jungen gedacht, während ich daran gearbeitet habe. Hätte ich keine Kinder, wäre es wahrscheinlich nicht ganz so emotional gewesen. Aber ich habe selbst drei Söhne – die alle gesund sind, zum Glück. Und dann stellst du so eine Torte her und weißt genau, für wen das ist und warum. Das war wirklich traurig. Es ist mir sehr nah gegangen und hat mich noch ein paar Tage begleitet.
Haben Sie die Torte ins Krankenhaus gebracht?
Nein, der Cousin des Jungen hat sie abgeholt. Und wir haben nicht groß gesprochen. Wir wussten ja beide, zu welchem Anlass sie ist.
Wissen Sie, ob der Junge eine Krebsdiagnose bekommen hat?
Ja. Knochenkrebs.
Wie geht es ihm heute?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht mehr nachgefragt habe. Es ist nicht so, dass wir jeden Tag Kontakt haben, und ich habe mich dezent zurückgehalten.
Aber wissen Sie, ob die Torte ihm gefallen hat?
Seine Tante hat mir ein Bild geschickt, auf dem man sieht, wie er die Torte im Krankenhaus anschneidet und sich freut. Und das hat mich natürlich auch gefreut.
Nach welchem Vorbild haben sie das Motiv modelliert? Aus dem Kopf? Einen Comic gekauft?
Das findet man ja alles online.
Das geht aber auch nicht immer, oder?
Nein. Ein anderer Junge sollte zum Beispiel zum Geburtstag eine Torte in Form eines Porsche Panamera bekommen – ich glaube allerdings, dass sich die eigentlich der Vater gewünscht hat. Der Junge wurde sieben Jahre alt und ich habe mich gefragt: Was kriegt der denn, wenn er 18 wird…?
Wie haben Sie diese Torte hergestellt?
Ich wusste: Da kannst du nicht einfach einen Kuchen backen und den irgendwie schnitzen, sondern musst die Außenspiegel modellieren, die Reifen haben eine bestimmte Höhe, die Lichter eine bestimmte Form und Größe und so weiter. Zum Glück hatte ich schon mal für ein Event im Porsche-Zentrum Würzburg Lebkuchenherzen verziert und kannte daher den Chef. Den habe ich angerufen und gefragt, ob er einen Porsche Panamera dahat. Er sagte: »Ja, der steht hier vor der Tür«, und ich: »Ich muss den ausmessen, weil ich ihn als Kuchen machen muss!« Ich stand dann später draußen im Regen mit dem Maßstab und habe die Breite, die Höhe, alles aufgeschrieben und abgezeichnet. Daheim habe ich mich hingesetzt und mir eine maßstabsgetreue Schablone gebastelt, daraus den Kuchen geschnitzt, mit Schwarz überzogen und dann noch alle Einzelteile modelliert. Das war sehr aufwendig.
Ich stelle mir Ihren Job überhaupt sehr aufwendig vor. Sie sind ja nicht nur Konditorin, sondern auch Künstlerin. Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei Ihnen aus?
Bei den Hochzeitstorten läuft es zum Beispiel so: Die Kunden kommen zu einem Besprechungstermin zu mir. Dafür plane ich so etwa eineinhalb Stunden ein, in denen wir zusammen alles durchgehen. Bei einer dreistöckigen Torte müssen sie sich die verschiedenen Böden aussuchen, ob sie zum Beispiel zwei Schokoladen- und einen Vanilleboden wollen. Ich zeige ihnen, welche Füllungen es gibt, Himbeersahne, Vanillebuttercreme und so weiter. Und wir besprechen natürlich das ganze Design.
Und dann backen Sie los?
Das kann ich nicht alles an einem Tag machen. Die einzelnen Elemente, die später auf der Torte sind, Figuren etwa oder Rosen, sind aus Fondant, einer Zuckermasse. Die modelliere ich meistens schon ein, zwei Wochen vorher, male sie mit Lebensmittelfarbe an und lasse sie aushärten. An dem Tag, an dem die Torte ausgeliefert oder abgeholt werden soll, backe und fülle ich die Böden, überziehe sie mit Fondant und dann kommen die ganzen modellierten Sachen drauf. Ich mache so viel selbst wie möglich, zum Beispiel alle Füllungen und einzelne Zutaten wie den Vanillezucker und den Zitronensirup.
Hochzeitstorten sind natürlich der Klassiker. Auf Ihrer Website haben Sie mal geschrieben, dass Sie auch Scheidungstorten machen. Hat die schon mal jemand bestellt?
Komischerweise nicht.